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Tierkult in Kom Ombo mit Krokodilsmumien | Bildquelle: Mirco Hüneburg

Tierkult in Kom Ombo mit Krokodilsmumien (Fotos: Mirco Hüneburg)

Tierkulte im Alten Ägypten

Zu den auffälligsten Besonderheiten der altägyptischen Religion gehören die zahlreichen Tierkulte. Reisegäste und Museumsbesucher staunen immer wieder über die großen Mengen an Tiermumien – und darüber, mit welcher Sorgfalt die Ägypter zuweilen ihre Tiere mumifizierten. In nahezu allen Museen mit altägyptischer Kunst befindet sich auch die eine oder andere Tiermumie.

Auch während einer Rundreise durch Ägypten wird der Tourist immer wieder auf Tierbestattungen stoßen. Große Tierfriedhöfe oder Katakomben, mit manchmal Hunderttausenden von Tiermumien, gab es beispielsweise in Sakkara (Saqqara), Istabl Antar ( Speos Artemidos ) und Tuna el-Gebel (bei Hermopolis Magna). Aber auch in Giza (Giseh), Abydos , in den Nekropolen von West-Theben bei Luxo , in Dendera und an vielen anderen Orten gab es Tierbestattungen.

Insgesamt gab es weit mehr als hundert Tierfriedhöfe in Ägypten. Als Antwort auf dieses Interesse ist in den Funk- und Printmedien in der letzten Zeit in mehreren Dokumentationen immer wieder von Tiermumien und Tierkulten berichtet worden. Zeitschriften greifen dieses Thema immer wieder gerne auf (so. z.B. A.R. Williams und R. Barnes in: National Geographic, November 2009: "Liebe über den Tod hinaus – Schon die alten Ägypter hatten eine enge Bindung zu ihren Haustieren – und nahmen sie sogar mit ins Grab", S. 39-59).

Nun ist es nicht so, dass die altägyptische Kultur die einzige war, in der verschiedene Tiere als göttliche Ausdrucksformen verehrt wurden. Wir kennen dieses Phänomen aus vielen polytheistischen Religionen. Ein bekanntes Beispiel ist Indien, wo noch heute einige Gottheiten verehrt werden, die tiergestaltig oder anthropomorph (=menschengestaltig) mit Tierkopf dargestellt werden (z.B. der Elefantengott Ganesha mit Menschenkörper und Elefantenkopf oder der Affengott Hanuman, der mal als Affe, mal als Mensch mit Affenkopf dargestellt wird). Auch die Verehrung heiliger Kühe oder sogar Ratten ist bekannt. Im indischen Tempel von Karni Mata werden zehntausende Ratten als heilige Tiere gehalten. Natürlich werden in Indien die heiligen Tiere auch bestattet.

Aber nirgendwo sonst wurden so viele Tierkulte gepflegt und so viele Tiere mumifiziert wie im alten Ägypten. Es wäre falsch anzunehmen, dass die Tiere hierbei selbst als Götter angebetet wurden, wie einst der antike griechische Historienschreiber Herodot vermutete: "Sämtliche Tiere gelten nämlich als heilig, Haustiere so gut wie Wildtiere" (Herodot, Historien II 65). Vielmehr wurden sie als Symbole und Totemtiere bestimmter Götter verehrt.

Religiös gesehen waren verschiedene Tiere Seelenerscheinungsformen von bestimmten Gottheiten. Die Ba-Seele einer Gottheit konnte für gewisse Zeit in einem Tier einwohnen bzw. Platz nehmen, genauso wie sie in einer Götterfigur oder Statue einwohnen konnte. So konnte ein Ibis als Ba des Gottes Thot, ein Apis-Stier (in Sakkara) als Ba des Gottes Ptah oder ein Krokodil (in Krokodilopolis) als Ba des Krokodilgottes Sobek angesprochen werden. Das heißt im Klartext: Sowohl Tiere als auch Götterfiguren konnten temporär göttlich beseelt sein. Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss nicht, dass die Götterfigur oder ein bestimmtes Tier immer als Gottheit angesehen wurde. Nur im Zustand der göttlichen Einwohnung konnte eine Figur oder ein Tier als Gottheit angesprochen werden.

Als mumifizierte Tierleichen wurden sie mit Osiris angesprochen, so wie man auch die Toten als Osiris ansprach – eine Anspielung auf den Gott des Totenreiches. Das Spektrum der verehrten, mumifizierten und bestatteten Tiere ist breit. Man fand Tiermumien von Säugetieren wie Löwen, Stieren, Ziegen, Schafen, Pavianen, Meerkatzen, Pferden, Eseln, Gazellen, Hunden, Mäusen und Katzen. Besonders beliebt waren verschiedene Vogelarten, darunter Falken, Geier, Adler, Eulen, Gänse und Ibisse. Ja sogar Reptilien wie Krokodile, Eidechsen und Schlangen sowie Insekten wurden verehrt und mumifiziert. Der Skarabäus galt beispielsweise als Symbol der aufgehenden Sonne.

Es gab hauptsächlich drei verschiedene Hintergründe für die Mumifizierung und Bestattung von Tieren:

1. Grabbeigaben: Die älteste Form war die, dass man mumifizierte Tiere verstorbenen Menschen mit ins Grab gab. Oft kam es vor, dass Ägypter ihre Lieblingshaustiere mit ins Jenseits nehmen wollten. Das konnten Hunde oder Katzen sein, aber auch Wildtiere wie Gazellen oder Affen. Tiere konnten aber auch die Versorgung des Toten in der Unterwelt sicherstellen. Manchmal gab man auch mumifiziertes Fleisch mit ins Grab, um dem Verstorbenen auf dem Weg ins Jenseits als Proviant zu dienen.

2. Votivgaben: Besonders im ersten Jahrtausend v. Chr. war es üblich, dass zum Anlass religiöser Feste tausende Pilger zu einem Heiligtum oder Tempel zogen und dort jeweils eine Tiermumie als Votivgabe einem Gott weihten und opferten. Im Zuge des großen Andrangs während der großen Feste wurden die Tiermumien zu Tausenden an die herbeiströmenden Pilger verkauft. Nach der Weihung wurden diese Tiere von den Priestern in speziellen Tierfriedhöfen bestattet. Hier konnten sich im Laufe der Zeit Hunderttausende von Tiermumien ansammeln.

3. Heilige Tempeltiere: An manchen Orten wurden besonders heilige Tiere gehalten. Sie wurden nach besonderen Charakteristika ausgewählt und in einem speziellen Gehege im Tempelbezirk gehalten, dort gefüttert und gepflegt – ja sogar hofiert wie würdevolle Persönlichkeiten. Die Tiere hatten ihren eigenen Kult und wurden nach besonderen Ritualvorschriften angebetet. Nach ihrem Dahinscheiden wurden diese Tiere wie bedeutende Menschen mumifiziert und in Gräbern bestattet. Diese Tiere hatten ihren eigenen Totenkult. Das bedeutet, dass sie in Kapellen oder Sanktuarien angebetet wurden und ihnen geopfert wurde.

Insgesamt kann man davon ausgehen, dass im Verlauf der Geschichte des alten Ägypten Millionen von Tieren mumifiziert und bestattet wurden. Viele Tiermumien (und oft auch Menschenmumien) wurden in den letzten Jahrhunderten zerstört. Entdeckten die Fellachen und Bewohner der Region einen großen Tierfriedhof, wusste man oft nichts damit anzufangen. So wurden die Tiermumien als Brennmaterial benutzt oder zu Dünger verarbeitet.

Die meisten Tiermumien stammen aus den Grabkatakomben, in denen die Opfertiermumien und Votivgaben gesammelt wurden. Bei näheren Untersuchungen der Mumien hat man herausgefunden, dass sich unter den Tiermumien zahlreiche Mogelpackungen befinden. Anscheinend war zu bestimmten Tempelfesten der Besucherandrang so stark und der Bedarf nach Tiermumien zum Opfern so groß, dass man nicht genügend Tiere hatte, um allen Pilgern eine Tiermumie zum Opfern zu verkaufen. So mogelte man ab und zu und wickelte manchmal nur ein paar Knochen ein – und formte mit den Mumienbinden die Tiergestallt nach. Es gab auch leere Mumien, zusammengewickelte Mumienbinden in Tierform, aber ohne Inhalt. Den Opfernden und Weihenden dürfte es nicht aufgefallen sein, und der Opfertätigkeit war, zumindest symbolisch, dennoch Rechnung getragen.

Neben der Haltung heiliger Tiere in den Tempelbezirken gab es auch zoologische Gärten. Diese waren zwar nicht mit unseren Zoos vergleichbar, aber sie bekunden ein Interesse an der Tierwelt. Besonders Pharao Amenophis III. ( Neues Reich , 18. Dynastie, 14. Jahrhundert v. Chr.) hatte ein Vorliebe für Tiere und Tierkulte. Auch Pharao Echnaton (Amenophis IV.) hatte in seinem Palast ein Tiergehege.

Die Einbeziehung der Tierwelt in die ägyptische Religion ist schon für die Frühzeit belegt und eigentlich währen der ganzen Geschichte Ägyptens anzutreffen. (Erst das Christentum und der Islam beendeten die "heidnischen" Tierkulte.) So deuten schon die alten Standarten der Gaue und Provinzen (vergleichbar mit unseren mittelalterlichen Wappen) mit ihren Tierzeichen auf die jeweiligen Tierkulte der Region hin. Allerdings änderten sich die Tierkulte. So war im 15. oberägyptischen Gau ursprünglich der Hase ein wichtiges religiöses Tier. Aber mit der wachsenden Bedeutung des Thot-Heiligtums in Hermopolis wurden der Pavian und der Ibis zum Objekt der bedeutendsten Tierkulte in der Region. Dementsprechend fand man in den Nekropolen von Tuna el-Gebel bei Hermoplis Magna große Galerien und Katakomben mit zahllosen Ibismumien und Pavianmumien.

Katzenmumien wurden meistens dort gefunden, wo entweder löwengestaltige (z.B. die Göttinnen Pachet und Sachmet) oder katzengestaltige Gottheiten (z.B. die Göttin Bastet) verehrt wurden. Nahe der alten Metropole von Memphis, in der in einem großen Tempelbezirk der Schöpfergott Ptah verehrt wurde, fand man in der Nekropole von Sakkara das Serapeum. Hierbei handelt es sich um weitläufige, unterirdische Katakomben mit Galerien, Gängen und gewölbten Krypten, in denen einst Stiermumienbestattet worden waren. Der Apis-Stier galt als Fruchtbarkeitsgott und wurde zudem als Ba-Seelengestalt des Ptah verehrt. Die Stiere wurden in riesigen Steinsarkophagen, die bis zu 70 Tonnen schwer waren, bestattet. Der Entdecker des Serapeums war der Pionier der ägyptischen Archäologie: Auguste Mariette (1821 bis 1881). Die Anlage stammt größtenteils aus der Spätzeit und aus der Zeit der Ptolemäer. (Die frühesten Apis-Bestattungen in Sakkara gab es im Neuen Reich, die letzte fand in römischer Zeit statt bzw. im 1. Jahrhundert n. Chr.). Die riesigen Sarkophage waren bei ihrer Entdeckung leer, die Kammern ausgeraubt. Aber es gibt auch noch eine kleinere, ältere Galerie aus der frühen Ramessidenzeit (19. Dynastie). Dort konnte Mariette noch zwei nahezu unversehrte Stierbestattungen entdecken, zusammen mit wertvollen Grabbeigaben.

In den heiligen Stieren offenbarte sich im Glauben der Ägypter an den Apis. Ein neuer Apis-Stier wurde von den Priestern unter Tausenden von Stieren ausgekundschaftet. Er musste bestimmte Eigenschaften aufweisen, um als solcher erkannt zu werden, so z.B. eine besondere Kennzeichnung des Felles. Einmal als Apis erkannt, wurde er wie eine göttliche Persönlichkeit behandelt, hofiert, gepflegt, angebetet und nach dem Tode wie ein Mensch mit allen Totenkultriten bestattet. Die Stierleichen wurden anschließend mit allen bekannten Raffinessen der Einbalsamierungskunst mumifiziert. Der Name der Apis-Stiernekropole, das Serapeum, deutet auf denn Namen Serapis hin. Serapis ist die griechische Kurzform von Osiris-Apis. Entsprechend der Mythologie verschmolz nach seinem Tode der Apis-Stier mit Osiris. Er wurde so zu Osiris-Apis. Einen stark mit hellenistischen Einflüssen geprägten Stierkult des Serapis gab es auch in Alexandria. Zusammen mit dem Isis-Kult verbreitete sich der Osirs- und Serapis-Kult vom ägyptischen Alexandria aus über weite Teile des Römischen Reiches und wurde in den ersten beiden Jahrhunderten n. Chr. zu einer wichtigen Konkurrenz für das frühe Christentum und den Mithras-Kult.

Während der Spätzeit (7. bis 4. Jahrhundert v. Chr.) und der Ptolemäerzeit (4. bis 1. Jahrhundert v. Chr.) erreichte die Bedeutung der Tierkulte in Ägypten ihren Höhepunkt. Insbesondere die Pflege heiliger Tiere in Tempelbezirken und die Bestattungen von Tiermumien, die zuvor als Votivgaben in die Tempel getragen worden waren, waren verbreitet wie nie zuvor. Die meisten großen Tierfriedhöfe mit Tiermumien stammen aus dieser Epoche. Tiere und Tiernamen wurden oft auch als Epitheta (Attribute, Zuordnungen) von Königen benutzt. So wurden in den königlichen Texten die göttlichen Eigenschaften des Herrschers besonders plastisch und bildlich geschildert. Der Pharao war ein "starker Stier" oder war "schnell wie ein Falk"“ oder wurde zum Panther. Das Falkenattribut war schon allein deshalb wichtig, weil der König Ägyptens als Erscheinungsform des Gottes Horus galt. Und Horus hatte die Gestallt eines Falken. Der Geier und die Kobra galten als Symbole für Ober- und Unterägypten. Sie waren an den Stirnseiten der Kronen befestigt. Die Kobra bzw. der Uräus an der Stirn des Königs verlieh ihm besondere Kräfte. Er konnte auf magische Weise töten oder zum Leben erwecken. Die Uräus-Schlange wurde als Göttin Uto verehrt. Ihr Kultort war das unterägyptische Buto. Die Geiergöttin hieß Nechbet. Sie war Schutzherrin Oberägyptens und hatte ihren Kultort in Elkab (altägyptisch: Nechab).

Auffällig ist, dass sehr viele ägyptische Götter sowohl als Tier als auch menschengestaltig mit Tierkopf dargestellt wurden: Ra und Horus mit Falkenkopf, Anubis mit Schakalskopf, der Krokodilsgott Sobek als Mensch mit Krokodilskopf, der Weisheitsgott Thot mit Ibiskopf, der Schöpfergott Chnum von Elephantine mit Widderkopf usw. Viele andere Götter konnten mal als Mensch, mal als Tier in Erscheinung treten. Amun kann als Mensch mit Federkrone dargestellt sein, manchmal aber auch als Widder. Hathor trat als Kuh in Erscheinung oder als Frau mit Kuhhörnern. Die Übergänge sind fließend. Auch in den Mythen und religiösen Texten können die Gottheiten mal wie ein Mensch erscheinen und mal wie ein Tier. Es gibt keine klaren Grenzen und Definitionen. Vielmehr handelt es sich um Ausdrucks- und Stilmittel, um das Wesen und die Aktionen einer Gottheit bildlich zu beschreiben. Überhaupt war die religiöse Sprach- und Bilderwelt des alten Ägypten voller Symbole, Allegorien, Metaphern und Gleichnisse. Die Natur wurde genau beobachtet und ausgedeutet. Alles, was in der Natur und Tierwelt vor sich ging, konnte ein Omen oder Hinweis für andere Ereignisse auf kosmischer Ebene sein.

Tierdarstellungen in Gräbern

Tiere sind wichtige Motive bei verschiedenen Themen der Grabdekoration. Seit dem Alten Reich gehören in Privatgräbern Landwirtschaftsszenen zum üblichen Dekorationsrepertoire. Hierbei werden zwei Themen gleichzeitig dargestellt. Zum einen die Viehzucht in den Ländereien des wohlhabenden Verstorbenen, zum anderen die Versorgung des Toten mit tierischen Produkten im Jenseits und die Ausstattung der Totenstiftung, damit über die Opfergaben in der Grabkapelle des Toten geleistet werden können. Weiteres wichtiges Motiv in vielen Gräbern, insbesondere in den Gräbern des Mittleren Reiches, sind die Jagddarstellungen. Hierbei werden oft auch Fabelwesen dargestellt. Sie symbolisieren das Chaos und die Wildheit der Wüstenwelt.Häufig anzutreffen sind Darstellungen des Grabinhabers mit seinen Hunden oder mit seinem Lieblingshund. Hunde wurden in Ägypten schon in prähistorischer Zeit domestiziert. Sie waren sowohl als Jagdgenosse wie auch als Schoßhündchen beliebt.

Ägyptische Tierkulte in den Augen der Nachbarn

Griechen, Römer, Syrer, Hebräer und viele andere Nachbarn Ägyptens wunderten sich über die aufwendigen Tierkulte in Ägypten. Besonders Reisende aus dem römisch-griechischen Kulturraum schrieben ausführliche Berichte über die sonderbaren Tierverehrungen. Beschreibungen solcher Art finden sich beispielsweise bei Herodot, dem griechischen Vater der Geschichtsschreibung, der nach eigener Aussage Ägypten bereist hatte. So berichtet er unter anderem:

"Die toten Katzen werden nach der Stadt Bubastis gebracht, einbalsamiert und in heiligen Grabkammern beigesetzt. Die Hündinnen begräbt man in der eigenen Stadt in geweihten Särgen. Ebenso wie die Hündinnen werden die Ichneumons begraben. Spitzmäuse und Habichte bringt man nach der Stadt Buto, Ibisse nach Hermopolis." (Herodot II 67)

Ziemlich exotisch mutete schon damals der Kult um den Krokodilsgott Sobek an:

"In manchen ägyptischen Gauen gilt das Krokodil als ein heiliges Tier, in anderen nicht, wird sogar als Feind verfolgt. In Theben und bei den Umwohnern des Moirissees gilt es als hochheilig. Dort wird je ein Krokodil gezähmt und gefüttert. Mit Ohrgehängen aus Glas und Gold wird es geschmückt und bekommt Armbänder an die Vorderfüße. Vorgeschriebene heilige Kost wird ihm gereicht, und es wird, solange es lebt, aufs beste gehalten. Stirbt es, so balsamiert man es ein und begräbt es in einem geweihten Sarge. Die Bevölkerung von Elephantine dagegen hält die Krokodile nicht heilig und ißt sie." (Herodot II 69)(Anmerkung: Übersetzungen von Herodot aus dem Griechischem ins Deutsche nach A. Horneffer, Herodot – Historien, Deutsche Gesamtausgabe, Stuttgart 1971.)

Auf große Ablehnung stießen die Tierkulte bei den Juden und Christen. In diesem Punkt scheint sich der jüdisch-christliche Religionsentwurf ausdrücklich gegen die Tierkulte oder die Darstellung von Göttern als Tierfigur zu wenden, wie die berühmte biblische Geschichte vom goldenen Kalb (2. Mose 1-9) erzählt (hier in der wörtlichen Übersetzung aus der hebräischen Bibel nach Naftali Herz Tur- Sinai ):

"Als aber das Volk sah, dass Mosche säumte, vom Berg herabzukommen, da scharte sich das Volk um Aharon, und sie sprachen zu ihm: „Auf, mache uns Götter, die vor uns herziehn sollen! Denn dieser Mann Mosche, der uns aus dem Land Mizraim heraufgeführt hat – wir wissen nicht, was ihm geschehen ist!“ Da sprach Aharon zu ihnen: „Nehmt die goldenen Ringe ab, die in den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter sind, und bringt sie mir.“ Dann nahmen sie sich, das ganze Volk, die goldenen Ringe ab, die in ihren Ohren waren, und brachten sie zu Aharon. Und er nahm es aus ihrer Hand und band es ein in ein Tuch; und er machte daraus ein gegossenes Kalb, und sie sprachen: „Dies sind die Götter, Jisrael, die dich aus dem Land Mizraim heraufgeführt haben! […] Da aber sprach der Ewige zu Mosche: „Geh, steig hinab! Denn Schlimmes hat getan dein Volk, das du aus dem Land Mizraim heraufgeführt hast. Gar rasch sind sie abgegangen von dem Weg, den ich ihnen geboten, sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben sich vor ihm niedergeworfen und ihm geschlachtet und gesprochen: „Dies sind deine Götter, Jisrael, die dich aus dem Land Mizraim heraufgeführt haben." (Anmerkungen: Übersetzung nach Naftali Herz Tur-Sinai, Die heilige Schrift, veröffentlicht von „The Jewish Publishing House Ltd“, Jerusalem, bzw. deutsche Ausgabe vom Hänsslerverlag, Holzgerlingen 2003, 4. Aufl.; Aharon = Aaron, Mizraim (hebr.) = Ägypten, Jisrael = Israel, Mosche = Mose.)

Zusammen mit dem Gebot, man solle sich kein Bildnis von Gott machen, was natürlich als kritische Anspielung auf die Götterstatuen in Ägypten und Kanaan (Kulte des Baal und der Aschera) zu verstehen ist, wurde der Tierkult zum Paradebeispiel heidnischen Götzenkultes. In späteren Zeiten äußerten Christen und Muslime immer wieder ihre Abneigung gegen die Darstellungen tiergestaltiger Götter oder, noch schlimmer, gegen menschengestaltige Götter mit Tierköpfen. In der mittelalterlich-christlichen Bilderwelt und Ikonographie verbannte man solche fabelhaften Mischwesen in die Unterwelt, in die Hölle, wo sie als Abbilder oder Schergen des Teufels angesehen wurden.Wenig Verständnis für die ägyptischen Tierkulte hatten die Perser, die im 5. bis 4. Jahrhundert Ägypten temporär beherrschten. In einer Schlacht sollen sich die persischen Truppen Katzen auf die Schilde gebunden haben, in der Absicht, die Ägypter vom Kämpfen abzulenken, denn es könnte ja ein heiliges Tier darunter sein. Auch die Apis-Kulte erregten Unmut.

Eine Anekdote erzählt von einer Auseinandersetzung zwischen dem persischen Herrscher Kambyses (der Ägypten erobert hatte) und den ägyptischen Priestern (Herodot III 27-30). Kambyses war gerade in heller Aufregung und großer Wut, weil ein Teil seines Heers in der Libyschen Wüste durch einen Sandsturm umgekommen war. Dann ereignete sich folgendes:

"Als Kambyses nach Memphis gelangt war, hatte sich den Ägyptern inzwischen der Apisstier gezeigt, der in hellenistischer Sprache Epaphos heißt. Bei seinem Erscheinen legten die Ägypter sofort Festtagsgewänder an und waren voller Freude. Kambyses argwöhnte, sie feierten um seines misslungenen Zuges wegen ein Freudenfest, und ließ die Stadthäupter von Memphis zu sich entbieten. Als sie vor ihm standen, fragte er, warum denn die Ägypter bei seinem Aufenthalt in Memphis sich ebenso betragen hätten wie jetzt, wo er einen großen Teil seines Heeres verloren habe. Sie erwiderten, der Gott habe sich gezeigt, der nur in langen Zeiträumen zu ihnen zu kommen pflege. Aber wenn er ihnen erscheine, feiere ganz Ägypten ein Freudenfest. Kambyses nannte sie Lügner und ließ sie ihrer lügnerischen Antwort wegen hinrichten. Als sie tot waren, ließ er weiter die Priester zu sich rufen. Die Priester gaben dieselbe Antwort. Da rief er, er werde sich selber überzeugen, ob wirklich ein Gott als zahmes Tier zu den Ägyptern gekommen sei. So rief er aus und befahl den Priestern, den Apis zu holen. Sie gingen und führten ihn herbei. Der Apis oder Epaphos muß von einer Kuh stammen, die wieder trächtig werden kann, nachdem sie ihn zur Welt gebracht hat. Die Ägypter sagen, sie werde, ehe sie den Apis zur Welt bringe, durch einen Strahl vom Himmel befruchtet. Folgende Zeichen trägt er. Er ist schwarz, hat auf der Stirn ein weißes Viereck, auf dem Rücken das Bild eines Adlers, im Schweif doppelte Haare und unter der Zunge das Bild eines Käfers. Als die Priester mit dem Apis sich nahten, zog Kambyses, halb wie ein Rasender, seinen Dolch, wollte ihn dem Apis in den Leib stoßen, verwundete aber nur den Schenkel. Lachend sagte er zu den Priestern: „Schelme seid ihr! Sind das Götter, die Fleisch und Blut haben und das Eisen fühlen? Solch einen Gott verdienen freilich die Ägypter; aber ungestraft sollt ihr mir nicht spotten!“ Damit befahl der den Henkern, die Priester zu peitschen. Und alle Ägypter, die sie im Festkleid sähen, sollten sie töten. So nahm das Fest der Ägypter ein Ende. Die Priester wurden gepeitscht, und der Apis verendete im Tempel an der Wunde im Schenkel. Den toten Gott begruben die Priester heimlich und ohne daß Kambyses es erfuhr. Wie die Ägypter erzählen, wurde Kambyses wegen seines Frevels auf der Stelle mit Wahnsinn geschlagen; er war freilich schon vorher geistesschwach gewesen." (Herodot III 27-30, Übersetzung nach Horneffer, s.o.).

Auswahl weiterführener Literatur:

  • Brunner-Traut, Emma, "Tier, Verhältnis zum", in: Lexikon der Ägyptologie, Band VI, Wiesbaden 1985, Sp.557-561.
  • Erman, Adolf, Die Religion der Ägypter, Berlin 1934.
  • Ikram, Salima, Divine Creatures: Animal Mummies in Ancient Egypt, American University Press, Kairo 2005.
  • Kessler, Dieter, "Tierkult", in: Lexikon der Ägytologie, Band VI, Wiesbaden 1985, Sp. 571-587.
  • Kessler, Dieter, "Tuna el-Gebel", in: Lexikon der Ägyptologie, Band VI, Wiesbaden 1985, Sp. 79-804.
  • Kessler, Dieter, Die heiligen Tiere und der König, (Ägypten und Altes Testament, Band 16), Wiesbaden 1989.
  • Williams, A.R. und R. Barnes, "Liebe über den Tod hinaus: Schon die alten Ägypter hatten eine enge Bindung zu ihren Haustieren – und nahmen sie sogar mit ins Grab", in: National Geographic, Deutsche Ausgabe, November 2009, S. 39-59.
  • Vercoutter, Jean, "Apis", in: Lexikon der Ägyptologie, Band I, Wiesbaden 1973, Sp. 338-350.
  • Vercoutter, Jean, "Serapeum", in: Lexikon der Ägyptologie, Band V, Wiesbaden 1984, Sp. 868-870.

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