Im Folgenden seien von den zahllosen Gräbern in
Deir el-Medine drei Exemplare vorgestellt und eine kleine Auswahl an sehenswerten Details ihrer Grabdekoration näher beschrieben. Das Besondere an diesen Gräbern ist, dass sie von den Handwerksmeistern geschaffen wurden, die in den königlichen und anderen noblen Gräbern tätig waren und somit aufgrund ihrer Profession besonders qualifiziert und begabt waren. So legten sie viel offenbar auch viel Wert auf die sorgfältige Anlage und Dekoration ihrer eigenen Grabanlagen. Die feine Linienführung und die leuchtenden Farben der Wandmalereien sind außergewöhnlich. Im Gegensatz zu den meisten Privatgräbern der Nachbarnekropolen, wo die Wanddekorationen in der Regel den zugänglichen Kapellenbereich schmücken, sind hier die schönsten Malereien in den (einst) unzugänglichen Sargkammern angebracht.
Wichtig: Fotografieren ist innerhalb der Gräber strengstens verboten! Fotoapparate müssen für die Zeit der Grabbesichtigungen gegen Pfandmarke beim Ticket-Office abgegeben werden. Seit jüngster Zeit gilt dies auch für fotofähige Mobiltelefone und ähnliche Geräte mit eingebauter Minikamera.
Grab des Sennedjem
Eines der schönsten und am besten restaurierten Gräber, das zudem in der Nähe des Ticket-Offices liegt, ist das
Grab des Sennedjem (Sennodjem, Nr. 1). Sennedjem lebte zur Zeit der Pharaonen
Sethos I. und
Ramses II. (19. Dynastie). Von der Umfassungsmauer und dem Eingangspylon des Oberbaus ist nicht mehr viel erhalten. Die kleine Pyramide ist rekonstruiert worden.
Der Grabschacht zum unterirdischen Teil der Anlage geht steil nach unten. Dort tritt man in eine kleine quadratische Vorkammer, über ein paar Stufen in eine weitere Vorkammer mit Tonnengewölbe und von dort schließlich in die Grabkammer. Diese hat einen rechteckigen Grundriss und ebenfalls ein Tonnengewölbe. Die Farben der Wandmalereien leuchten noch prächtig. Alle Malereien sind auf gold-gelben Untergrund aufgetragen. Besprechen wir zuerst die Szenen und Motive der Wände, dann der Decke. Wenn man durch den engen Eingang die Kammer betritt, wende man sich herum und betrachte die Wandmalereien rechts und links des Eingangs.
Rechts (Südwand Westhälfte) sieht man im oberen Register die Mumie des Sennedjem auf einem Totenbett im Schutz der Göttinnen Isis und Nephthys, die in Falkengestalt dargestellt sind. Sie sind anhand der Hieroglyphen auf ihrem Kopf identifizierbar. Darunter sieht man eine Festgesellschaft, die Familie des Sennedjem. Die Damen und Herren sind festlich gekleidet und haben Perücken mit Parfumkapseln auf dem Kopf, die während des Festes schmelzen. Diener fächeln mit einem kleinen Segel frische Luft zu. Aus Gefäßen wird erfrischendes Wasser versprüht. Lotusblüten werden vor dem Mund gehalten, um mit dem angenehmen Duft zu atmen.
Auf der Westwand, die Wand, auf die man blickt, wenn man nach dem Eintritt in die Kammer sich nach links wendet, sieht man Sennedjem und seine Frau Ineferti vor den Göttern des Totengerichts, die in einem Schrein sitzen. Darüber wacht der schakalsgestaltige Gott Anubis in doppelter Ausführung. Besonders eindrucksvoll sind die Darstellungen auf der langen
Nordwand, d.h. auf der Wand, auf die man blickt, wenn man die Kammer betritt. Umrahmt von Hieroglyphentexten mit
Totenbuch -Sprüchen sieht man in der linken oberen Ecke ein großes Bild mit der Mumie des Toten, über die sich der schakalköpfige Totengott Anubis beugt. Daneben ist in übergroßer Darstellung eine Szene aus dem Totengericht des Unterweltgottes Osiris angebracht. Der Tote wird von Anubis zu Osiris geführt, wo über ihn Gericht gehalten wird.
Weltberühmt ist die Darstellung auf der Ostwand. Auf sie blickt man, wenn man nach betreten der Kammer nach rechts schaut. Hier sieht man Sennedjem und seine Frau in den Jaru-Gefilden der Unterwelt, eine Art paradiesische Jenseitsvariante des Lebens auf dem Lande. Der Grabinhaber und seine Frau pflügen und ernten auf den fruchtbaren Feldern des Totenreiches.
Zahlreiche Bäume tragen Frucht. Die Götter sind präsent und werden angebetet. Umgeben sind die Szenen von den Flüssen und Kanälen der Jenseitslandschaft. Ganz oben sieht man den Sonnengott Re in einem Boot über den Himmel fahren. Er wird vom a linken Pavian als "Chepri" (werdende, d.h. aufgehende Sonne) und vom rechten Pavian als "Re-Harachte-Atum" (vollendete, d.h. untergehende Sonne) angebetet.
Auf der Osthälfte der Südwand schließlich, links neben dem Eingang, sieht man im oberen Register mehrere, mit scharfen Messern bewaffnete Götter und Dämonen, die vor Toren wachen. Sie sind die Hindernisse auf dem Weg ins Totenreich, die der Tote durch Charakter und Kenntnis der Totenbuch-Sprüche überwinden muss. Darunter sind weitere Darstellungen der Festgesellschaft.
Am
Deckengewölbe sind auf der
Südseite verschiedene Szenen abgebildet, die den Toten in Anbetung vor verschiedenen Göttern zeigen. Nur die erste Szene ganz links ist anders. Man sieht ein Kalb, auf dem eine Gottheit sitzt. Davor sitzt der Sonnengott Re-Harachte-Atum. Zwischen zwei Baumwipfeln geht die Sonne auf. Auf der
Nordseite des Deckengewölbes sieht man von links nach rechts folgende Szenen: Der Grabinhaber steht vor zwei Torflügeln. Das Tor symbolisiert den Horizont, durch den die Sonne ziehen muss. Dann sieht man in der nächsten Szene die Götterbarke des Sonnengottes. Am Bug steht der "Benu"-Vogel (Phönix) mit einer besonderen Krone ("Atef"-Krone). Er symbolisiert eine Seelengestalt des Sonnengottes. Im nächsten Bildfeld beten Sennedjem und seine Frau eine Gruppe von Göttern an, über die die Sonne und sieben Sterne abgebildet sind. Sehr schön ist die nächste Szene, die Sennedjem und seine Frau vor einem Sykomorenbaum zeigen. Aus dem Stamm kommt eine Baumgöttin hervor, die Trank und Speisen spendet. Das Grab des Sennedjem wurde bereits 1886 von Gaston Maspero entdeckt. Es war noch unzerstört. Zahlreiche Grabbeigaben waren erhalten, darunter viele Uschebtis. Sie stehen heute mit dem Sarg des Sennedjem (Katalognummer JE 27308) im
Ägyptischen Museum in
Kairo. Auch die wunderbar erhaltene und bemalte Holztür zur Grabkammer steht heute im Museum von Kairo (JE 27303). Auf dieser Tür sieht man unter anderem eine Darstellung des Verstorbenen und seiner Frau beim Brettspiel.Anmerkung: Von Sennedjem konnte man übrigens das Wohnhaus identifizieren. Es ist jenes an der Südwestecke der ummauerten Siedlung von Deir el-Medine.
Grab des Onuris-Cha
Das Grab des Onuris-Cha (alternative Wiedergaben des Namens sind Inherchau, Iniherkhau, Nr. 359) aus der 20. Dynastie (12. Jahrhundert v. Chr., Regierungszeiten von Ramses III. und Ramses IV.) hat zwei unterirdische Kammern mit schönen Wandmalereien. Onuris-Cha war Oberster Vorzeichner unter Ramses IV. (, d.h. er war in dessen Grab tätig und die Vorzeichnungen der Wandmalereien dort wurden unter seiner Leitung erstellt).
In der Vorkammer sieht man unter anderem Szenen aus dem Pfortenbuch, eines jener Unterweltsbücher, die eigentlich nur für Darstellungen in den Königsgräbern vorbehalten waren. Außerdem sieht man den Grabinhaber beim Brettspiel, umgeben von Sprüchen aus dem Totenbuch. An der unebenen Rückwand befindet sich eine seltene Darstellung von Onuris-Cha und seiner Gemahlin vor lauter thronenden Königen, Königinnen und königlichen Familienmitgliedern, die als Schutzheilige der Siedlung von Deir el-Medine angesehen wurden. In der Mitte der Vorkammer geht ein Gang hinunter zur Grabkammer, die einen länglich rechteckigen Grundriss und ein Tonnengewölbe als Decke hat. Die auf sandig-gelben Grund gemalten Malereien der Kammer zeichnen sich durch die zarten Linienführungen aus. Die Malereien und Bildszenen der beiden Längswände sind in drei Reihen (Register) gegliedert.
Wendet man sich gleich nach Betreten der Kammer nach linkss, sieht man im obersten Register bildliche Schilderungen von der Reise des Grabherren in die Unterwelt. Zuerst verlässt er sein Grab, fährt mit dem Boot und wird vom Gott Thot vor dem Thron des Unterweltgottes Osiris geführt. Nach Beschreibungen des Totengerichts wird der Grabherr von Göttern und Dämonen weiter durch die Unterwelt geleitet. Man sieht unter anderem die Götter Isis, Thot, Chepri (Morgensonne) und Hu (Personifizierung des göttlichen Ausspruchs) in einer Götterbarke auf dem Jenseitsstrom dahinfahren. Im zweiten Register folgen weitere religiöse Szenen der Unterweltreise. Darunter ist auch eine Darstellung des Verstorbenen vor drei schakalsköpfigen Göttern, die sich auf die Brust schlagen. Ein interessantes Detail am Ende dieses Registers zeigt Onuris-Cha vor einem Baum, an dem das böse Schlangenmonster Apophis vom Sonnengott Re, der hier in Hasengestalt auftritt, mit einem Messer getötet wird. Im untersten Register sind Ritual- und Festszenen dargestellt. Wunderschön ist die Darstellung einer Festszene mit einem blinden Harfner.
An der schmalen Rückwand sieht man in großer Darstellung den Grabinhaber mit seinen Söhnen vor den Göttern Ptah und Osiris. Auf der, vom Eintretenden aus gesehen, rechten Wand begegnet Onuris-Cha auf seiner Reise in die Unterwelt weiteren Gestalten des Jenseits, wie zum Beispiel vier heiligen Schakalen. Außerdem ist unter anderem noch eine Szene mit dem Mundöffnungsritual dargestellt. Hier wird dem Toten rituell der Mund geöffnet, um auch im Jenseits essen, trinken und sprechen zu können. Im untersten Register sind Fest- und Ritualszenen mit Familienmitgliedern abgebildet.Faszinierend sind ornamentale Verzierungen an der Decke, wo sich in einem rechteckigen Feld Stierköpfe und Spiralenmuster in immer gleicher Folge aneinanderreihen.
Grab des Paschedu
Ebenfalls zugänglich ist das schöne Grab des Paschedu (19. Dynastie, frühes 12. Jahrhundert v. Chr.). Es enthält ebenfalls zahlreiche Darstellungen aus der Welt des Totenkultes. Gemalt sind die Bilder auf leuchtend-gelbem Untergrund.Vom Vorraum geht man durch einen schmalen, niedrigen Durchgang, dessen Seiten mit großen Anubis-Darstellungen bemalt sind, in die mit einem Tonnengewölbe überdachte Grabkammer. Alle Wände und die Decke der Kammer sind bemalt und beschriftet. Auf der Wand des Eingangs, die man betrachtet, wenn man sich nach dem Hineingehen umdreht, sieht unten rechts die trauernden Familienmitglieder und Diener Paschedus und links unten Paschedu in der Unterwelt, wo er unter einer Dattelpalme kniet und Wasser aus einem Fluss trinkt. Oberhalb des Eingangs sieht man Paschedu in kniender Haltung vor dem Totengott Ptah-Sokar, der in Falkengestalt auf einem Boot sitzt. Auf der, vom Eintretenden aus gesehen, linken Längswand befindet sich eine große Darstellung des Toten und seiner Gemahlin bei der Verehrung des falkengestaltigen Horus und des Anubis. An der Rückwand sieht man oben, wie Paschedu in hockender Mumiengestalt die Götter Osiris (hier mit Kopftuch statt mit Krone) und Horus (dargestellt als Falke) anbetet. Die Darstellungen im unteren Bereich dieser Wand sind zerstört. Auf der, vom Eintretenden aus gesehen, rechten Längswand, sieht man Paschedu mit einer Tochter vor den sitzenden Göttern Re-Harachte (Sonnengott), Atum (der für die vollendete Sonne am Abend steht), Chepri (der für die aufgehende Sonne am Morgen steht) und Ptah. In den oberen Bereichen der seitlichen Längswände sind weitere Götter der Götterversammlung dargestellt.
Weitere Gräber
Von den vielen Gräbern in Deir el-Medine sind noch weitere sehenswert. Dazu gehören (in ungeordneter Folge) unter anderem die Gräber der Söhne des Sennedjem,
Chonsu (Nr. 2) und
Chabechnet (Nr. 2B), das Grab des
Neferhotep und seiner Gemahlin
Mutemwiha (Nr. 250), das Grab des
Nacht-Min und
Nu (Nr. 291) mit interessanten Darstellungen der Totenriten, das Grab des
Cha (Nr. 8), das Grab des
Amenemhet (Nr. 3), das aus der späten 18. Dynastie stammt und somit zu den ältesten von Deir el-Medine zählt, da die allermeisten aus der Ramessidenzeit (19.-20. Dynastie) stammen, die Gräber der Bildhauer
Nacht-Amun (Amun-Nacht, Nr. 335), Ipui (217) und
Ken (Nr. 4), des Nekropolenbeamten
Amenmose (Nr. 9) oder das Grab des
Irinefer (Erenufer, Nr. 290, neben dem Grab des Nu im Norden der Nekropole gelegen), um einige Beispiele zu nennen. Allerdings sind diese Gräber in der letzten Zeit zumeist verschlossen gewesen. Man sollte damit rechnen, nur zwei bis drei Gräber in Deir el-Medine besichtigen zu können und sich nicht allzu viel Hoffnung auf mehr machen, um nicht enttäuscht zu werden. Die Gräber sind schließlich nicht wegen der Geheimhaltung geschlossen, sondern aus Sicherheitsgründen (zum Schutz der Malereien) oder wegen Restaurationsarbeiten. Daher hat es keinen Sinn, sich vor dem Besuch der Stätte einen Besichtigungsplan zu machen, da man nicht weiß, welche Gräber man aktuell besichtigen kann/darf oder nicht.