Rund eineinhalb Kilometer südwestlich des Sethos-Tempels befindet sich die Ausgrabungsstätte Umm el-Qa’ab, die „Mutter aller Scherben“, so genannt, weil dort viele Keramikbruchstücke der Opfergefäße und Grabbeigaben gefunden wurden. In Umm el-Qa’ab wurden Gräber der frühen Könige und Pharaonen gefunden, und zwar aus der Frühdynastischen Zeit (1.-2. Dynastie, Anfang 3. Jahrtausend v. Chr.), und sogar noch einige ältere aus dem 4. Jahrtausends v. Chr., die man der Prädynastischen Zeit und der 0. Dynastie zurechnet. Es tauchten Königsnamen auf, die vor die Zeit der 1. Dynastie zu datieren sind. Damit handelt es sich um die ältesten königlichen Grabanlagen Ägyptens.
Lange Zeit wurde von einigen Ägyptologen angenommen, dass es sich bei den Gräbern der 1. Dynastie um Scheingräber (Kenotaphe) bzw. um Kultgräber handelt, die für eine rituelle Bestattung im Reich des Chontamenti angelegt wurden. Die eigentlichen Bestattungen der frühen Könige hätten in Sakkara stattgefunden. Denn dort waren Mastaba-Gräber derselben Könige gefunden worden. Durch diese kultische Doppelbestattung an zwei bedeutenden und uralten Nekropolen wäre sichergestellt worden, dass der verstorbene König sowohl in der Obhut des Chontamenti („Erster der Westlichen“), dem Nekropolengott von Abydos, als auch unter der Obhut des Sokar, dem Totengott der Nekropole von Sakkara bestattet war. Mittlerweile gehen jedoch viele Ägyptologen davon aus, dass es sich bei den Mastaba-Gräbern in Sakkara aus der 1. Dynastie um Gräber hoher Amtsträger handelt, die zur Zeit des jeweiligen Königs lebten, deren Namen man dort identifiziert hat.
Da die Nekropolen von Abydos unweit der alten frühdynastischen Residenzstadt Thinis liegen, kann man davon ausgehen, dass Abydos zu Thinis in einem ähnlichen Nekropolis-Metropolis-Verhältnis stand wie Sakkara zu Memphis oder Theben-West zu Theben: Jede größere Residenzstadt braucht ihre eigene Totenstadt.
Während der 2. Dynastie wurden schließlich die Königsgräber tatsächlich in Sakkara angelegt. Doch die letzten Herrscher der 2. Dynastie, Peribsen und Chasechemui, ließen ihre Gräber wieder in Abydos anlegen.
Dem Besucher bietet sich ein eigenartiges Bild. Die Gräber sind allesamt nicht mehr überdacht bzw. nicht mehr zugedeckt und hinterlassen optisch den Eindruck von etwa zwei bis vier Meter unter dem Bodenniveau angelegten rasterartigen Ziegelkammersystemen, die sich um eine Zentralkammer gruppieren. Die dunklen Lehmziegel heben sich deutlich vom helleren Sand ab. In den jüngeren Gräbern wurde auch Kalkstein verbaut. Es ist nicht eindeutig nachweisbar, wie die Gräber in ihrem ursprünglichen Zustand ausgesehen haben könnten. Vielleicht waren viele Kammern mit Holzbalken überdeckt und dann kleine Schutthügel darüber aufgehäuft. Sicher ist, dass die Gräber keine monumentalen Oberbauten hatten, denn dazu fehlt der Befund. Außerdem wäre dies aus statischen Gründen höchst fraglich.
Die ältesten Königsgräber stammen aus der Zeit der Reichseinigung. Es dies die Gräber der sogenannten 0. Dynastie und 1. Dynastie. Der Prozess der Vereinigung verschiedener Landesteile zu einem Gesamtstaat wird für die Zeit der Könige Iry-Hor, Ka, Narmer und Hor-Aha angesetzt. Narmer wird mit Menes (ägypt. Meni) in Verbindung gebracht. Er galt in historischer Zeit als Gründervater des geeinten Ägypten. Diese Gräber befinden sich in sogenannten „Friedhof B“ und sind noch von relativ einfacher Architektur.
Einige große Gräber sind von Gruppen kleinere Grabanlagen umgeben. Es handelt sich hierbei um die Gräber der Gefolgsleute, Familienmitglieder und Bediensteten. Knochenfunde deuten darauf hin, dass hier tatsächlich Bestattungen vorgenommen wurden.
Etwas südwestlich des Friedhofs B liegen die weitaus größeren Grabkomplexe der 1.-Dynastie-Könige Djer, Wadj, Dewen, Adjib, Semerchet und Qa’a. In der Mitte dieser Gräber liegt das Grab der Königin Meritneith. Am südlichen und am nördlichen Ende dieser Gräbergruppe liegen noch zwei Königsgräber aus der 2. Dynastie: Peribsen im Norden und im Süden das längliche Galeriegrab des Chasechemui.
Nur wenige Schritte weiter nördlich dieser bedeutenden (Schein-)Gräber liegt ein weit ausgedehntes Ruinenfeld unzähliger Gräber und kleinerer Grabanlagen aus der Prädynastischen Zeit, also aus dem 4. Jahrtausend v. Chr (sogenannter Friedhof U). Die große Zahl der Gräber macht deutlich, dass es sich hier um eine sehr alte und sehr bedeutende Nekropole handelt, deren Anfänge weit in die prähistorische Vergangenheit zurück reichen.
Reste der antiken Stadt von Abydos
In Abydos wurden nicht nur Tempel, Heiligtümer, Gräber und Scheingräber gefunden und ausgegraben, auch die Reste der alten Stadt hat man identifizieren können. Allerdings ist von ihr nur sehr wenig erhalten. Die Stadtreste liegen etwa einen Kilometer nördlich der großen Tempel des Neuen Reiches, westlich des heutigen Ortes Beni Mansur. Der Grabungshügel (arabisch „Kom“ oder „Tell“) wird Kom as-Sultan (Kom el-Sultan), also Sultanshügel genannt. Man hat Spuren früher Besiedlung bis ins späte vierte Jahrtausend v. Chr. gefunden. Die Gegend ist also seit der vordynastischen Zeit bis heute fast ununterbrochen bewohnt. Gegraben wurde hier seit William Flinders Petrie, also seit dem späten 19. Jahrhundert. Die Architektur war meistens aus ungebrannten Lehmziegeln. Im Mittelalter haben die Bewohner des Umlandes viele der Lehmziegel abgetragen, um das Material anderweitig zu verbauen oder als Dünger zu verwenden. Insofern war der Grabungsbereich von Anfang an ein durchwühlter Hügel. Gewiss ist, dass zum Ort auch Arbeitersiedlungen mit Handwerkerstätten gehörten und Heiligtümer aus verschieden Epochen in der Stadt standen, insbesondere jener Zentraltempel zu Ehren des Chontamenti bzw. später des Osiris Chontamenti. Dieser Tempel wurde seit der Vor- und Frühdynastischen Zeit immer wieder umgebaut und war von einer großen Lehmziegelmauer umgeben. Im späten Alten Reich wurden Steinbauten hinzugefügt. Weitere Umbauten und Erweiterungen erfolgten im Mittleren und Neuen Reich bis in die griechisch-römische Zeit. Auch die sonstigen Funde des Ortes reichen von der frühdynastischen bis zur griechisch-römischen Zeit.
Ein besonderer Fund aus Kom el-Sultan steht heute im Museum zu Kairo (Katalognummer JE 36143). Es handelt sich um die kleine, von Petrie gefundene Sitzfigur des Königs Cheops , des Erbauers der großen Pyramide von Giza. Sie ist nur 7,5 cm hoch und aus Elfenbein. Sie ist die einzige erhaltene Darstellung des großen Pharao, der anhand der Namenskartusche am Sockel des Thrones identifiziert werden konnte.
Talbezirke der frühen Gräber von Abydos
Etwa eineinhalb Kilometer nördlich der frühdynastischen Gräber von Abydos, nur etwa 200 Meter südwestlich der antiken Stadt von Abydos, wurden Kultbezirke einiger Könige der 1. und 2. Dynastie gefunden, die vermutlich einen engen rituellen Bezug zu den Gräbern haben. Vielleicht handelt es sich um eine Art Äquivalent zu den Toten- und Pyramidentempeln des Alten Reiches. Die Kultbezirke, in Anlehnung an die Taltempel der Pyramidenanlagen von den Ägyptologen auch „Talbezirke“ genannt, bestehen aus großen ummauerten Rechtecken. Die Mauern bestehen aus Lehmziegeln. Die Talbezirke konnten den Königen Djet, Den, Semerchet, Andjib, Qa’a, Peribsen, Chasechemui und der Königin Meritneith zugewiesen werden. Die kultische Bedeutung und der Zusammenhang mit den Gräbern in Um el-Qa’ab sind noch nicht vollständig geklärt.
Tempel von Thutmosis III.
Nur wenige Meter südwestlich des Kom el-Sultan (antikes Abydos und Reste des Osiris-Tempels) wurden in den 1990er Jahren Überreste eines weiteren Tempels ausgegraben. Er stamm aus der 19. Dynastie und wurde von Thutmosis III. gebaut. Der kleine Tempel misst nur 9 mal 15 Meter.