Nach Abzug der französischen Ägyptenexpedition 1801 und nach vier weiteren Jahren der Anarchie kam ein neuer Machthaber namens Mohammed Ali an die Macht, der unter offizieller osmanischer Hoheit ein neues ägyptisches (Vize-)Königtum begründete. Dieses geriet abwechselnd unter französischen und britischen Einfluss, bis 1953 Ägypten zu einer unabhängigen arabischen Republik wurde.
Mohammed Ali Pascha (geb. 1769) entstammte aus einem albanischen Elternhaus und diente als junger Mann in der osmanisch-ägyptischen Armee, wo er eine Offizierslaufbahn einschlug. Wegen seines tapferen Einsatzes im Kampf gegen die Truppen Napoleons wurde ihm schließlich das Kommando über das albanische Heereskorps anvertraut. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Osmanen und Mamluken in den Jahren 1801-1805 hielt er sich diplomatisch-geschickt im Hintergrund. Nachdem der türkische Gouverneur vertrieben war, ließ sich Mohammed Ali 1805 auf der Zitadelle in Kairo zum Pascha von Ägypten ausrufen. Nach seinem Sieg gegen die einflussreichen Briten im Jahr 1807 wandte er sich gegen die Mamluken und ließ 1811 deren Anführer und Offiziere ermorden. Gegen den Sultan in Istanbul setzte er eine de facto Unabhängigkeit Ägyptens durch, auch wenn das Land offiziell und de jure noch zum Osmanischen Reich gehörte. Er hinterließ vier Söhne und begründete mit ihnen eine Herrscherdynastie.
Mohammed Ali versuchte mithilfe europäischer Investoren und Berater das Land zu entwickeln und zu industrialisieren. Besonders der Baumwollhandel wuchs an wirtschaftlicher Bedeutung. Ein gewaltiges Bauprojekt war die Aushebung eines Kanals, um Alexandria mit dem westlichen Nilarm im Delta zu verbinden. Mit landwirtschaftlichen Reformen beschränkte er den Einfluss feudaler Grundherren und reorganisierte die Landbesitzverteilung und die Verwaltung. Trotz moderner administrativer und ökonomischer Vorstellungen war seine Herrschaftsauffassung eher altmodisch und despotisch. Politische Gegner oder gefährliche Konkurrenten ließ er oft kurzerhand ermorden. Außenpolitisch expandierte er (gegen den Willen des Sultans) nach Syrien und (im Einverständnis mit dem Sultan) nach Westarabien (Hedschas), wo er die heiligen Stätten um Mekka und Medina unter seine Aufsicht brachte. Außerdem wurde der Sudan erobert.
Nach seinem Tod 1849 konnten seine Nachfolger die Autonomie Ägyptens nicht mehr aufrechterhalten. Wegen wirtschaftlicher Krisen gewannen die Europäer immer mehr an Einfluss, insbesondere die Franzosen und die Briten. Unter französischer Führung wurde der Suez-Kanal (Einweihung 1869) erbaut. Die Leitung der ägyptologischen Altertümerverwaltung und des ägyptischen Museums in Kairo war ebenfalls in französischer Hand. Nach der Niederschlagung des sogenannten Orabi-Aufstandes, der sich gegen die Fremdherrschaft ausländisch-stämmiger Khediven und gegen die Europäer richtete, durch die britischen Truppen, wurde 1882 Ägypten britische Quasi-Kolonie. Auch wenn Ägypten offiziell noch Provinz des Osmanischen Reiches war, lag die praktische Ausübung der Herrschaft in den Händen des britischen Generalkonsuls. Der Vizekönig und Khedive war nur nominell der Landesherr und in seiner Macht eingeschränkt.
Nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges und dem damit verbundenem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches wurde Ägypten ganz offiziell zum britischen Protektorat erklärt und wie eine Kolonie behandelt, auch wenn das Landesoberhaupt weiterhin der ägyptisches König war. 1922 wurde Ägypten ein halbunabhängiges Königreich, das jedoch nach wie vor stark von Großbritannien beeinflusst wurde.
Gegen das Königtum und gegen den britischen Einfluss formierte sich eine neue ägyptisch-nationale Bewegung, die 1952/1953 zur Abdankung des Königs und zur Ausrufung der Arabischen Republik Ägypten führte. Zunächst unter der Führung des Generals Naguib und ab 1954 unter der Präsidentschaft von Gamal Abd el-Nasser entwickelte sich Ägypten zu einem starken blockfreien Staat innerhalb der Arabisch sprechenden Welt. Zunächst war der Einfluss der Sowjetunion bedeutsam. Innerhalb Ägyptens wurde eine große Landreform zugunsten der einfachen Fellachen und zuungunsten der Großgrundbesitzer durchgesetzt und mit dem Bau des großen Staudammes von Assuan begonnen. Wegen des neuen Staudamms und der damit verbundenen Bändigung der Nilfluten konnten zahlreiche Infrastrukturprojekte an den Nilufern umgesetzt und ein Großteil der Stromversorgung sichergestellt werden.
Außenpolitisch war die Krise um den Suez-Kanal 1956 bedeutsam. Trotz einer erfolgreichen britisch-französisch-israelischen Militäroperation konnte die Verstaatlichung des Suez-Kanals nicht verhindert werden. Auf Druck der USA und der Sowjetunion mussten sich die Westeuropäer wieder zurückziehen. Beim sogenannten Sechstagekrieg 1967 wurde die Sinai-Halbinsel von Israel besetzt. Nassers Nachfolger Anwar el-Sadat (Anwar as-Sadat) konnte 1973 im Jom-Kippur-Krieg die israelischen Truppen mit einem Militärschlag überraschen und Teile der Kanalzone besetzen. Dieser Erfolg gab ihm diplomatischen Handlungsspielraum. Durch eine geschickte Außenpolitik und Diplomatie konnte Sadat die Unterstützung der USA gewinnen und mithilfe ihrer Vermittlung 1979 ein Abkommen mit Israel und die Zurückgabe des Sinai erreichen. Anwar el-Sadat wurde nach bedeutsamen Rede-Auftritten in der israelischen Knesset und im amerikanischen Kongress auch in Westen populär. Wegen der Politik der Annäherung an Israel geriet Ägypten jedoch unter starken Druck sowohl der anderen arabischen Staaten als auch der islamisch-fundamentalistischen Bewegungen innerhalb des eigenen Landes. 1981 fiel Anwar el-Sadat einem Attentat zum Opfer.
Sadats Nachfolger Hosni Mubarak hatte in den folgenden Jahren für einen politischen Ausgleich zu sorgen. Er musste sowohl die Friedenspolitik mit den USA und Israel fortsetzen als auch die erneute Annäherung an die Arabische Liga und Besänftigung der islamischen Bewegungen innerhalb Ägyptens meistern. Dieser Akt auf dem Drahtseil war nicht immer leicht. Wirtschaftskrisen und islamistische Terroranschläge sorgten regelmäßig für gespannte Stimmung im Land. 1990/91 beteiligte sich Ägypten auf der Seite der USA am Golfkrieg gegen den Irak.
Jüngere Ereignisse in Ägypten:
Während des sogenannten arabischen Frühlings von 2011 kam es auch zu Aufständen und Protesten in Ägypten. Am 11. Februar 2011 wurde Mubarak durch den Druck der Opposition und der Massenproteste zum Rücktritt gezwungen. Der Vorsitzende des Militärrats, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, wurde de facto Nachfolger Mubaraks. Nachdem die Proteste und Unruhen im Lande anhielten, wurde Tantawi im August 2012 in den Ruhestand versetzt. Sein Nachfolger wurde General Abd al-Fattah as-Sisi. Der ehemalige Präsident Hosni Mubarak wurde am 8. April 2012 verhaftet und Anfang Juni desselben Jahres von einem Gericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Bei der Stichwahl zum ägyptischen Präsidenten konnte sich der Muslimbruder Mohammed Mursi mit mehr als 51 Prozent der Stimmen gegen den Kommandeur der Luftwaffe, Ahmad Schafiq, durchsetzen. Nach seiner Wahl trat Mursi von seinen Posten bei den Muslimbrüdern und seiner Partei zurück, um sich seiner Präsidentschaft zu widmen. Doch die Stimmung im Lande blieb angespannt. Die Proteste setzten sich fort. Der säkulare Teil der Bevölkerung befürchtete eine zunehmende Einschränkung der bürgerlichen Rechte durch die Muslimbruderschaft. Schließlich wurden 2013 die Proteste gegen die neue Regierung mit fast der gleichen Kraft geführt wie zuvor gegen Hosni Mubarak.
Am 3. Juli 2013 putschte das Militär. Mohammed Mursi wurde abgesetzt. Das Militär setzte die Verfassung außer Kraft und ging über Monate hinweg massiv gegen die Anhänger der Muslimbrüder vor. Am 8. Juni 2014 wurde Abd al-Fattah as-Sisi nach zuvor erfolgreicher Wahl als ägyptischer Präsident vereidigt.
Bis heute bestimmen die Spannungen zwischen den stark religiös motivierten Anhängern der Muslimbruderschaft und den tendenziell eher säkular eingestellten Ägyptern das gesellschaftliche Leben. Die landesweite Armut verschärft diese Spannungen. Ein weiteres großes Problem des heutigen Ägypten ist das exponentielle Bevölkerungswachstum und die daraus resultierende Ressourcenverknappung pro Einwohner. Durch große Bewässerungsprojekte soll neues Agrarland der Wüste abgerungen werden.
Auswahl weiterführender Literatur für die Zeit des 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts:
- Fahmy, Khaled, All The Pasha’s Men – Mehmed Ali, His Army and the Making of Modern Egypt, Kairo und New York 1997.
- Haarmann, Ulrich, Geschichte der Arabischen Welt, München 2001.
- Hourani, Albert, Die Geschichte der arabischen Völker, Frankfurt am Main 1992.
- Palmer, Alan, Verfall und Untergang des Osmanischen Reiches, München 1994.
- Schulze, Helmut R., Sadat: der Ägypter, München 1982.