Kultanlagen von Sesostris III. in Abydos
Sesostris III. (12. Dynastie, Mittleres Reich , 19. Jahrhundert v. Chr.) war einer der bedeutendsten Herrscher im Alten Ägypten. Unter ihm erreichten die Kultur und das Staatswesen des ägyptischen Mittleren Reiches einen Höhepunkt. InDahschur ließ er sich eine große Pyramide aus Lehmziegeln errichten. Doch auch in Abydos errichtete er ein bedeutendes Grabmahl, ein Scheingrab (Kenotaph), um seinen Totenkult mit dem Kult des Totengottes Osiris Chontamenti zu verknüpfen. Entsprechend des Zeitgeistes ähnelt die Struktur der Anlage einem Pyramidenkomplex. Nahe der Fruchtlandgrenze befinden sich die Reste des Taltempels. Es handelt sich um ein Heiligtum aus Lehmziegeln mit Kulträumen in der Mitte und Magazinräumen für die Opfergaben an den Seiten. Der Haupteingang war von einem großen Eingangspylon geprägt. In der Mitte des zentralen Opferhofes ist der Platz für den Opfertisch, wo die königlichen Totenopfer getätigt wurden. Die Darstellungen auf den dort gefundenen Reliefplatten ähneln thematisch jenen in den Pyramidentempeln, nur das hier ein stärkerer Bezug zum aufkommenden Osiris-Kult hergestellt ist.
Rund 900 Meter südwestlich davon, in der Wüste an den steilen Felsen der Berge gelegen, befinden sich die weiteren Kultanlagen, nämlich der Totentempel und der Kultgrabkomplex. Der große T-förmige Grundriss der Anlage erinnert an die Pyramidentempel. Der Eingangsschacht kann von Touristen nicht betreten werden. Dennoch sei die unterirdische Anlage kurz beschrieben. Durch den tiefen senkrechten Eingangschacht gelangt man zu den Gängen. Was nun folgt, ist eine Reihe von Grabkammern und Gängen, die nacheinander folgen. Nach der ersten Kammer mit zwei Seitenkammern und einem toten Schacht, der in einer Sackgasse mündet, führt ein Gang zu einem Doppelschacht, der auch als Kultgrab angesehen wird, dann weiter zu einer weiteren Grabkammer mit Sarkophag und dann ein gebogener Gang mit Vorkammer und am Ende einer weiteren Grabkammer. Die genaue Deutung dieser Gangstruktur ist hinsichtlich ihrer Funktion noch nicht vollständig geklärt. Die vorletzte Grabkammer scheint symbolisch für den König und die letzte für Osiris gedacht zu sein.
Kultanlagen des Ahmose in Abydos
Archäologisch Interessierte, die viel Zeit mitgebracht haben, den längeren Fußweg nicht scheuen und sich eingehender mit der Kult- und Bau-Geschichte von Abydos beschäftigen möchten, können auch die Bauruinen des Königs Ahmose besichtigen. Die Anlagen beginnen etwa drei Kilometer südlich des Tempels von Sethos I., sind aber für den Laien wenig spektakulär.
Ahmose (16. Jahrhundert v. Chr.), erster König der 18. Dynastie und Begründer des Neuen Reiches, der die Hykosos aus Ägypten vertrieb und das Land einer neuen Blütezeit entgegenführte, ließ für seinen Totenkult Bauten in Abydos errichten. Auch hierbei handelt es sich um Scheingrab- und Kultanlagen. Denn sein wirkliches Grab liegt in West-Theben bei Dra Abu n-Naga (Dra Abu el-Naga). Sein Kultkomplex in Abydos orientierte sich an einer mehr als einen Kilometer langen Achse und bestand aus einer Kultpyramide am Rande der Fruchtlandgrenze mit Totenkulttempel (ähnlich der Pyramidentempel, noch nicht vollständig erforscht), dann, weiter zur Wüste hin und auf halben Wege (etwa 50 Meter südwestlich), ein 21 mal 23 Meter messendes Kultgebäude für die Königin Tetischeri, die seine Großmutter war; es folgen Siedlungsreste (Priestersiedlung? Arbeitersiedlung?) und schließlich das Osirisgrab. Ganz am Ende der Kultachse sind die spärlichen Überreste eines Terrassentempels gefunden worden.
Auch wenn die Anlagen des Ahmose stark zerstört sind, so sind sie erwähnens- und besichtigungswert. Denn sie stellen eine eigenartige Kombination aus Elementen der Scheingrabkultarchitektur, wie sie für Abydos üblich ist, und Elementen älterer Pyramidenanlagen dar. Doch diese Kombination der Kultbauten wurde nicht an weitere Generationen tradiert. Die anderen Könige des Neuen Reiches bauten in Abydos entweder gar nichts oder konzentrierten sich auf die Tempelanlagen (siehe Sethos I., Ramses II. ).
Die Kultpyramide des Ahmose ist durch Ziegelraub und Witterungsverhältnisse sehr stark zerstört. Ihre Überreste sehen aus wie ein flacher Erd- und Lehmziegelhügel, der sich nicht mehr als zehn Meter über die Ebene erhebt. Da die eigentliche Pyramidenbasis von Schutt umgeben ist, kann der Besucher die Umrisse der Pyramide schwer ausmachen. Sie hatte wohl eine Basislänge von rund 52 Metern. Unterirdische Gänge und Kammern hat man bisher nicht finden können. Diese Beobachtung unterstützt die Vermutung, dass es sich um eine Kultpyramide handelte. Vor der Pyramide wurden einige Mauerreste der Totentempelanlagen ausgegraben. Hierbei kamen auch zahlreiche Relieffragmente des Ahmose und seiner Gemahlin Ahmes Nefertari zutage. Darunter wurden auch zahlreiche Darstellungen seiner Kriegsauszüge und die erste ägyptische Darstellung eines Streitwagens gefunden. Eine Ziegelanhäufung zwischen Tempel und Pyramide wurde als Überrest der Baurampe identifiziert. Zur Pyramidenanlage führt vom Fruchtland aus ein Aufweg. Vielleicht lag im Fruchtlandgebiet ein Taltempel, ähnlich wie bei den Pyramidenanlagen des Alten und Mittleren Reiches.
Weiter südwestlich liegt der erwähnte 21 mal 23 Meter messenden Lehmziegelbau, den man als Gedenktempel oder Kultpyramide der königlichen Großmutter Tetischeri identifiziert hat. Eine Stele mit ausführlichem Hieroglyphentext weist darauf hin, dass das Gebäude wohl tatsächlich auch mal eine Pyramide war, auch wenn es aufgrund der spärlichen Überreste nur noch schwer nachvollziehbar ist. Der schlechte Erhaltungszustand ist auf die billige und einfache Konstruktionsweise zurück zu führen. Man errichte eine kassemattenartige Lehmziegelstruktur und füllte die Hohlräume mit Schutt. Dass eine solche Konstruktion beim ersten Lehmziegelraub in sich zusammenfällt und dann den Witterungsverhältnissen schutzlos ausgeliefert ist, versteht sich von selbst.
Etwa 450 Meter weiter südwestlich gelangt man dann zum Osiris-Grab. Der Schacht geht zunächst geradewegs nach unten, dann folgt ein sehr langer, gewundener Gang, der nach halber Strecke einen Pfeilersaal hat. Dann endet der Gang tot im Fels. Wahrscheinlich hatte hier am Gangende noch eine Kammer entstehen sollen, die jedoch unvollendet blieb.
Ganz am südwestlichen Ende der gedachten Kultachse befinden sich vor den hohen Felswänden der westlichen Bergmassive die Ruinen des Terrassentempels. Im oberen Bereich führte ein Korridor weiter nach Südwesten, an dessen Ende eine Kalksteinkammer ist. Hier war vielleicht die Kultstatue des Königs aufgestellt, das Kultziel der Mysterienspiele und Feste in Abydos in diesem Bereich.