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Ramsesstadt und Auaris im Nildelta

Besichtigungstipp für Archäologiebegeisterte: Rund 25 Kilometer südlich von Tanis , im östlichen Deltagebiet, abseits der Touristenrouten und völlig dem Erwartungsbild der Reisegäste widersprechend, liegen, nah beieinander, die Ausgrabungsstätten von Qantir und Tell el-Dab’a. Hier wurden die Ruinen und Hinterlassenschaften der alten Ramsesstadt, Pi-Ramesse, und der Hauptstadt der Hyksos, Auaris, identifiziert. Zum Teil eingeebnet und überbaut, zum Teil landwirtschaftliche Nutzfläche, ist von beiden Städten nicht mehr viel zu sehen. Dennoch handelt es sich um archäologische Ausgrabungen ersten Ranges, mit zum Teil spektakulären Funden.(Anfahrtsvorschlag von Kairo: über die Fernstraße 41 nach Bilbeis, dort nach links auf die Landstraße 45 nach Zagazig, von Zagazig über die Fernstraße 42 via Hihya und Abou Kabir bis nach Faqus/Fakous, dort nach Norden auf die Landstraße 48 in Richtung el-Huseiniya abbiegen, etwa acht Kilometer nördlich von Faqus/Fakous nach rechts – Richtung Ismailiya – abbiegen, dort kommt nach wenigen hundert Metern Qantir. Unbedingt aktualisierte Straßenkarte dabei haben!)Lange Zeit hielt man die imposanten Ruinen von Tanis für die Hinterlassenschaften der alten Hyksos-Hauptstadt Auaris (Avaris) und der Ramsesstadt, Pi-Ramesse. Der berühmte Ausgräber von Tanis, Pierre Montet (1885 bis 1966), war bis zu seinem Tode davon überzeugt, dass Tanis zugleich auch Auaris und Pi-Ramesse war. Seiner Meinung nach wurde die alte Hyksoshauptstadt Auaris unter Ramses II. wiederbelebt und umbenannt. Schließlich sei die Stadt drei Jahrhunderte später erneut umbenannt worden, in Tanis. Seine Meinung wurde von vielen Ägyptologen und Archäologen geteilt, da man sich der Bedeutung der Funde in Qantir und Tell el-Dab’a noch nicht bewusst war. Noch in den 1970er Jahren war man sich bezüglich der Lage von Auaris unsicher (siehe: Stadelmannn 1973, in: Lexikon der Ägyptologie I, Sp. 552).

Doch österreichische und deutsche Archäologen haben bei ihren jüngsten Forschungen und Ausgrabungen beide Städte identifizieren können und große Flächen untersucht. Seither weiß wann, dass es sich bei den Ruinen von Qantir um die Ramsesstadt und bei den Ruinen von Tell el-Dab’a um die Hinterlassenschaften von Auaris handelt. Die Schwierigkeit der historischen Einordnung beider Ausgrabungsorte zeigt sich dem Besucher sofort: Statt großer Monumente und imposanten Steinruinen hat man es hier mit flachen Grundrissen von ehemaligen Gebäuden und Stadtteilen zu tun, die erst der Spaten der Archäologen ans Tageslicht brachte. Die Ausgrabungen bei Qantir und Tell el-Dab’a sind Musterbeispiele dafür, wie Archäologen, selbst nach größtmöglichen Zerstörungen und unter schwierigen Bedingungen, die Lage und Ausmaße einer antiken Stadt identifizieren und erforschen können.Die einstigen Stadtgebiete, sowohl der Ramsesstadt als auch von Auaris, waren sehr groß. Eine Schwierigkeit besteht darin, einen Überblick über das Ausmaß der Städte zu bekommen. Zusätzlich erschwert wird die archäologische Feldarbeit an beiden Ausgrabungsorten durch die moderne Bebauung und durch die landwirtschaftliche Nutzung der Flächen. Die ungeheuren Ausmaße der alten Städte machen eine komplette Ausgrabung unmöglich. Hierzu wird eine effektive Methode angewandt, schnell und ohne größere Ausgrabungen die Stadtausmaße zu erforschen und nach wichtigen Gebäuden zu suchen. Es handelt sich um die Anwendung von geophysikalischen Prospektionsmethoden mittels Magnetometermessungen. So können die Grundrisse und Strukturen ganzer Stadtteile erforscht werden, ohne den Spaten ansetzen zu müssen. Ramsesstadt (bei Qantir)Ramses II. verlegte seinen Regierungssitz und seine Hauptresidenz ins östliche Nildelta, an den Pelusischen Nilarm (dem damals westlichsten Nilarm). Dort gründete er eine neue Stadt – die Ramsesstadt (Pi-Ramesse, Piramesse, Per-Ramses = Haus des Ramses), die vielleicht schon von Sethos I. begonnen wurde, der dort einen Palast anlegen ließ. In dieser neuen Residenz regierten die ramessidischen Könige der 19. und 20. Dynastie (13. bis 11. Jahrhundert v. Chr.). Von Pi-Ramesse aus konnten sie schneller mit ihren Heeren nach Palästina und Syrien marschieren, um die Levante effektiver zu kontrollieren. Zu jener Zeit waren die militärischen Bedrohungen aus dem Norden bzw. Nordosten (Syrien) realer als aus dem Süden (Nubien, Kusch). Denn in Vorderasien war mit dem Reich der Hethiter eine neue Großmacht entstanden, die mit dem ägyptischen Imperium um die Vormacht in der Levante konkurrierte. Selbstverständlich blieben Theben und Memphis weiterhin von großer Bedeutung. Deshalb hat es auch keinen Sinn, von einer Hauptstadt im modernen Sinne zu sprechen. Allerdings war der Umzug nach Pi-Ramesse immerhin so bedeutend, dass Ramses II. einige Gebäude in Memphis abbauen ließ, bzw. Bauelemente aus älteren Gebäuden mit zur Ramsesstadt brachte, um sie dort in seinen neuen Palast- und Tempelanlagen verbauen zu lassen. Einige Baufragmente und Monumente stammen aus dem Mittleren Reich und wurden ehedem von den Hyksos von Memphis nach Auaris gebracht und später, unter den Ramessiden, von Auaris nach Pi-Ramesse. (Viele dieser Spolien wurden drei Jahrhunderte später mit nach Tanis genommen.)

Antike Landschaft und Umgebung von Pi-Ramesse: Die Stadt lag in einer Landschaft, die vom Nilarm, von Kanälen, Seen und Sümpfen (mit Papyrusdickichten) durchzogen war. Es gab ausgedehnte Hafenanlagen und einen großen Palastbezirk mit repräsentativen Bauten und Verwaltungsgebäuden. Außerdem gab es viele Wirtschafts- und Lagergebäude. Da es sich nicht nur um einen Regierungssitz und eine Residenzstadt handelte, sondern auch um die militärische Zentrale des Landes, ist mit einer starken Garnison und dementsprechend vielen Soldatenquartieren zu rechnen. Ende von Pi-Ramesse: Zu Beginn der Dritten Zwischenzeit wurde der Regierungssitz von Pi-Ramesse nach Tanis verlegt. Der Hauptgrund mag die Versandung des Pelusischen Nilarmes gewesen sein. Somit war die Stadt verkehrstechnisch vom Meer und vom Nil getrennt und musste aufgegeben werden. Die Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte wurden hauptsächlich von einem Archäologen-Team des Römer-Pelizäus-Museums in Hildesheim durchgeführt.

Hintergrund: Pi-Ramesse in der Bibel

In der Bibel wird die Landschaft am Rande des östlichen Nildeltas, die in der Nähe der historischen Doppelstadt von Pi-Ramesse und Auaris lag und unweit der noch nicht eindeutig identifizierten Stadt Pithom (Per-Atum = Haus des Atum, vielleicht in Tell el-Maschuta), Gosen (auch: Goschen) genannt. Hier sollen Jakob und seine Brüder gesiedelt haben (siehe z.B. Genesis bzw. 1. Buch Mose 45:10 „Du sollst im Lande Goschen wohnen und nahe bei mir sein, du und deine Kinder und deine Kindeskinder, dein Kleinvieh und Großvieh und alles, was du hast.“). Und hier soll der israelitische Exodus aus Ägypten begonnen haben. Die Zeit in Ägypten unter den Pharaonen wurde in der hebräisch/jüdischen Überlieferung mit Fronarbeit assoziiert: Für die Paläste der Pharaonen hätten die Israeliten Lehmziegel herstellen müssen. Allerdings wurden in der jüdischen Überlieferung andere Städte, wie Tanis/Zoan oder Pithom, mit der Ramsesstadt in Verbindung gebracht. Dies lag vermutlich daran, dass Pi-Ramesse zur Zeit der Niederschrift nicht mehr existierte, weil die Residenz inzwischen nach Tanis verlagert worden war.

Auaris (Tell el-Dab’a)Auaris war eine Art Hauptstadt der Hyksos in Ägypten. Während der Ersten Zwischenzeit handelte es sich noch um einen kleinen Provinzort, der jedoch im Verlauf des Mittleren Reiches wuchs. Es siedelten sich Menschen aus Vorderasien (Syrien, Palästina) an, was auf die Bedeutung des Ortes für den internationalen Handel schließen lässt – schließlich handelte es sich um einen Ort mit Hafen und Anbindung ans nahe Mittelmeer. In der Endphase des Mittleren Reiches (13. Dynastie, 18. Jahrhundert v. Chr.) und während der Zweiten Zwischenzeit (17. bis 16. Jahrhundert v. Chr.) war der Ort zu einer großen Hafen- und Handelsstadt herangewachsen. Auaris (altägyptisch: „Hut-waret“) war das wirtschaftliche und politische Zentrum der Hyksos geworden, jener levantinischen Bewohner im Norden Ägyptens, die das Land unter ihre Kontrolle gebracht hatten und die Wirtschaft in Unterägypten dominierten. Zum Ausbau ihrer Stadt machten die Hyksos das, was auch die Ägypter taten. Sie nutzen Steine und Monumente älterer Bauten, um sie in ihre eigenen Gebäude zu integrieren. (So wurden einige Monumente aus älteren Tempeln des Mittleren Reiches in Auaris verbaut, die dann später in der Ramsesstadt erneut verbaut und schließlich nach Tanis gebracht wurden; s.o.). Es wurden aber auch Grundrisse von Tempeln und Gebäuden gefunden, die nach vorderasiatischen Stilen errichtet wurden.Verehrt wurde in Auaris unter anderem der Gott Seth, der zwar schon zuvor von großer regionaler Bedeutung war, aber von den Hyksos als eine Art Hauptgott angebetet wurde. Auch unter den Ramessiden war der Sethkult im Delta sehr präsent.Der Niedergang der Stadt Auaris begann mit der Eroberung durch die ägyptischen Truppen aus Oberägypten und der Gründung des Neuen Reiches. Zwar wurden an manchen Stellen der Stadt neue Gebäude errichtet, doch erreichte die Stadt nicht mehr die alte Bedeutung. Bereits zum Ende des Neuen Reiches und während der Dritten Zwischenzeit dienten die Ruinen der Stadt als Steinbruch für die neuen Bauten zuerst in Pi-Ramesse und dann in Tanis. Die Ausgrabungen in Tell el-Dab’a werden seit vielen Jahren vom Österreichischen Archäologischen Institut durchgeführt. Das österreichische Team konnte genügend Indizien finden, die eine Identifizierung der Ruinen von Tell el-Dab’a mit der Hyksos-Stadt Auaris beweisen.

Hintergrund: Wer waren die Hyksos?

Zum Ende des Mittleren Reich begannen sich Angehörige westsemitischer, höchstwahrscheinlich amoritischer (amurritischer) und kanaanitischer Bevölkerungsgruppen zunehmend im östlichen Deltagebiet niederzulassen. Bald bildeten sie einen markanten Anteil der ortsansässigen Bevölkerung und stellten schließlich Könige, die über große Teile Nordägyptens herrschten. Diese Art Landnahme war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht immer friedlich vollzogen worden. Die Ägypter selbst sahen jedenfalls diese Hyksos als Fremdherrscher an, als Eindringlinge. Zumindest wird dies so in den ägyptischen Texten und in den späteren Überlieferungen aus der klassischen Antike (Manetho) dargestellt. Dabei sollen die Hyksos das Pferd und den Streitwagen als militärische Mittel in Ägypten eingeführt haben. Die griechische Bezeichnung Hyksos ist wahrscheinlich eine Verballhornung des altägyptischen Begriffes Heqa Chasut, der soviel wie „Herrscher der Fremdländer“ bedeutet. Mit Heqa Chasut bezeichnete man die Anführer semitischer Nomadengruppen, die Scheichs der Beduinen, denen die Ägypter in der Arabischen Wüste, im Sinai und im Negev begegneten. (Anmerkung: Mit Beduinen sind hier natürlich keine Kamele züchtende Nomaden gemeint, denn dass Kamel war zu jener Zeit noch nicht domestiziert. Stattdessen züchteten sie Kleinvieh und benutzten Esel als Transportmittel.) Es gibt mehrere ägyptische Darstellungen aus dem Mittleren Reich (Felszeichnungen im Sinai, Grabmalereien in Beni Hassan ) die eindeutig Eselskarawanen mit Beduinen in bunten Kleidern zeigen. Die Hieroglyphen kennzeichnen sie als Heqa Chasut.

Zeit der Handelsstädte: Die Handelsstädte im Delta florierten unter den Hyksos. Es gab nicht nur rege Wirtschaftbeziehungen zur Levante, d.h. nach Palästina, in den Libanon (nach Tyros, Byblos, Sidon usw.), nach Syrien (Ugarit, Qatna, Alalach) und nach Zypern, sondern auch lebhaften Austausch mit den Minoern in der Ägäis. Darauf verweisen die Funde von minoischen Fresken in Auaris (Tell el-Dab’a). Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich um eine Art Hanse, um eine Handelskonföderation von levantinischen Küstenstädten im östlichen Mittelmeerraum handelt, die, zusammen mit den Beduinen des Hinterlandes und im regen Handelsverkehr mit den Minoern, den östliche Mittelmeerraum dominierten. Nordägypten war demnach Teil eines größeren wirtschaftspolitischen Gefüges. Ende der Hyksos-Ära: Es waren schließlich die oberägyptischen Provinzkönige aus Theben, wie z.B. Seqenenre und Kamose (17. Dynastie, 16. Jahrhundert v. Chr.), die den Kampf gegen die Hyksos aufnahmen. Dieser Krieg gegen die Hyksos führte zur Etablierung eines neuen ägyptischen Gesamtstaates unter den thebanischen Königen, die mit der 18. Dynastie (16. bis 13. Jahrhundert) das neue Herrschergeschlecht stellten. Die Verfolgung der Hyksos bis nach Vorderasien ging automatisch in eine Eroberungspolitik über. Die Pharaonen des Neuen Reiches kontrollierten von nun an die Regionen von Palästina, Libanon und Südwestsyrien.Auswahl weiterführender Literatur

  • Bietak, Manfred, „Hyksos“, in: Lexikon der Ägyptologie, Band III, Wiesbaden 1977, Sp. 93-103.
  • Bietak, Manfred, „Ramsesstadt”, in: Lexikon der Ägyptologie, Band V, Wiesbaden 1984, Sp. 128-146.
  • Bietak, Manfred, Avaris – The Capital of the Hyksos: Recent Excavations, (British Museum Press), London 1996.
  • Bietak, Manfred, „Tell el-Dab’a“, in: Donald B. Redford (Hrsg.), The Oxford Encyclopedia of Ancient Egypt, Oxford und New York 2001, S. 351-354.
  • Bietak, Manfred und Edgar B. Pusch: „Avaris – Piramesse – Tanis“, in: W. Seipel, A. Wieczorek (Hrsg.), Von Babylon bis Jerusalem – Die Welt der altorientalischen Königsstädte, Band 2, Katalog zur Ausstellung im Reiss-Museum Mannheim, 1999, 277-299.
  • Pusch, Edgar B., „Piramesse-Qantir“, in: Susanne Petschel, Martin von Falk (Hrsg.): Pharao siegt immer – Krieg und Frieden im Alten Ägypten. Katalog zur Ausstellung Gustav-Lübcke-Museum März – 31. Oktober 2004, Bönen 2004, S. 240-263.
  • Pusch, Edgar B., „Mit Hightech in der Ramsesstadt“, in: Thomas Schneider, Mirco Hüneburg (Hrsg.): Ma'at - Archäologie Ägyptens. Nr. 1, Norderstedt 2004, S. 34-49.
  • Pusch, Edgar B., „Towards a map of Piramesse”, in: Egyptian Archaeology No. 14 (1999), S. 13-15.
  • Redford, Donald B., Egypt, Canaan and Israel in Ancient Times, Princeton 1992.
  • Stadelmann, Rainer, „Auaris“, in: Lexikon der Ägyptologie, Band I, Wiesbaden 1973, Sp. 552-554.

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