Saladin (Salah ad-Din, geb. 1138 in Tikrit, gest. 1193 in Damaskus) war ab 1169 Wesir und ab 1171 Sultan von Ägypten sowie ab 1174 auch Herrscher von Syrien (Damaskus). Wegen seines Kampfes gegen die Kreuzfahrer ist er in Europa einer der bekanntesten historischen Figuren des orientalischen Mittelalters.
Saladin wuchs im Libanon auf. Seine Mutter war kurdisch, sein Vater arabisch. Sein Vater und sein Onkel waren einflussreiche Militärs. Nach militärischer und schulischer Ausbildung konnte er erste Ämter in Aleppo und Damaskus annehmen. An diese Ämter gelangte er über Beziehungen, denn sein Vater war zu jener Zeit Gouverneur in Damaskus. Seine Zeit fällt in eine Epoche, in der die Kreuzfahrerstaaten große Teile der Levante, insbesondere die Küstengebiete des heutigen Israel, Libanon und Syrien besetzt hielten. Viele Muslime hatte diese Regionen verlassen oder waren vertrieben worden und hatten sich im syrischen Hinterland oder in Ägypten niedergelassen. Ägypten selbst war geschwächt. Die Herrscherdynastie der Fatimiden unter dem Kalifen al-Adid konnte die Zügel der Macht nicht mehr ausreichend festhalten. Der Kalif war kaum mehr als ein repräsentatives Staats- und Religionsoberhaupt. Die Regierungsgeschäfte lagen in den Händen der Wesire. Die Kreuzfahrerstaaten stellten eine ständige Bedrohung dar. In Syrien konnte Saladins Vorgänger, Nuraddin (Nur ad-Din, geb. 1118, gest. 1174, Regierungszeit von 1146 bis 1174), Aleppo und Damaskus vereinen und so einen großen Teil der Region beherrschen. Mehrfache, anfangs vergebliche Versuche, Ägypten gegen den Widerstand des ägyptischen Wesirs Schawar und dem Kreuzfahrerkönig Almarich von Jerusalem zu erobern, waren am Ende schließlich von Erfolg gekrönt. Der Agitator dieser Eroberungspolitik war ein gewisser syrischer General kurdischer Herkunft namens Shirkuh. Dieser war der Onkel Saladins. Nach dem Tode Shirkuhs im Jahre 1169 übernahm Saladin die Führung der Truppen. Offenbar aus strategischen Gründen ernannte der ägyptische Kalif al-Adid den jungen Saladin zum Wesir.
Kaum im Amt, organisierte Saladin das ägyptische Heereswesen neu. Außerdem schwächte er den schiitischen Anspruch in Ägypten. Damit kam er der ägyptischen Bevölkerung entgegen, die mehrheitlich sunnitisch war. Durch die unabhängige Politik in Ägypten war die Beziehung mit dem in Damaskus residierenden Nuraddin angespannt. Saladin musste als syrischer General und ägyptischer Wesir sowohl dem ägyptischen Kalifen als auch Nuraddin gegenüber loyal sein. Militärisch war ein Angriff der Kreuzfahrer und Byzantiner bei Damietta im Delta abzuwehren. Auf Anordnung Nuraddins plante Saladin 1171 den Sturz des fatimidischen Kalifen. Er ließ in den Freitagsgebeten nicht mehr den Namen des fatimidisch-schiitisch-ismailitischen Kalifen ausrufen, sondern, als Provokation, den des sunnitischen Kontrahenten, des abbasidischen Kalifen in Bagdad. Damit kam es zum Eklat und als Reaktion darauf zum Sturz des letzten Fatimiden-Kalifen in Kairo. So war Ägypten offiziell zur islamischen Orthodoxie zurückgekehrt. Außenpolitisch unterhielt Saladin diplomatische Beziehungen mit vielen, zum Teil auch christlichen Staaten und demonstrierte somit eine gewisse Souveränität seiner Herrschaft. Nuraddin war mit der Loyalität Saladins und der Höhe der ägyptischen Tributgaben nicht zufrieden und rüstete zu einer militärischen Konfrontation. Doch er starb 1174, bevor er seine Pläne in die Tat umsetzen konnte. Zwei Monate später starb auch König Almarich von Jerusalem. Die Machtverhältnisse konnten neu geordnet werden. Als Nuraddins Erbe stand zunächst dessen junger Sohn as-Salih Ismail im Raum. Dieser blieb noch Herr in Aleppo. Doch Saladin konnte sich 1175, auch auf die Unterstützung des Kalifen in Bagdad verlassend, der Herrschaft großer Teile Syriens bemächtigen. Somit war er der realpolitische Erbe von Nuraddin geworden. 1176 kehrte Saladin aus Damaskus nach Ägypten zurück und baute dort das Heer und die Flotte weiter aus. Außerdem begann er mit einem gewaltigen Bauprogramm die Befestigungen Kairos zu verstärken. Dazu gehört auch der Ausbau der Zitadelle als Festung.
Anfangs hielt sich Saladin an alte diplomatische Abmachungen und ließ das Königreich Jerusalem in Frieden. Doch nach mehrfachen militärischen Überfällen und Bedrohungen von Normannen, Franken und Byzantinern, ging Saladin in die Offensive über und zog gegen das christliche Jerusalem zu Felde. Ein Erster Angriff im Jahre 1177 war erfolglos. 1179 glückte ein Angriffsfeldzug in den Libanon.
Dann folgten siegreiche Attacken im Norden Palästinas und zur See gegen eine christliche Flotte. Dieser Sieg war ein wichtiges Zeichen. Denn die Venezianer, Genuesen und Pisaner kontrollierten immer noch den Seehandel im Mittelmeer und konnten so die Kreuzfahrerstaaten mit Nachschub versorgen. Andere militärische Aktionen gegen die Kreuzfahrer waren weniger erfolgreich. Der Versuch, die Kreuzfahrerburg Kerak zu erobern, blieb erfolglos. Auch die Angriffe auf Jerusalem im Jahre 1183 waren nicht von Erfolg gekrönt. Daraufhin erfolgte ein temporärer Waffenstillstand mit dem Königreich Jerusalem.
In den folgenden Jahren konnte Saladin im Norden sein Herrschaftsgebiet über Aleppo in Nordsyrien und Mosul im Nordirak ausdehnen. Nach schwerer Krankheit und dem Tode einer seiner Frauen begann sich Saladin Gedanken über seine Nachfolge zu machen und bezog zunehmend seine Söhne in politische und militärische Angelegenheiten mit ein. Mit dem gestärkten Reich im Rücken war nun sein langfristiges Ziel die Bezwingung der Kreuzfahrerstaaten. Die Kreuzritter hatten sich erfolgreich in ihren mächtigen Burgen und befestigten Hafenstädten verschanzt. Sie dort herauszudrängen, schien fast unmöglich.
Die Plünderung einer Karawane im Jahre 1186 durch Christen war Anlass, um den Waffenstillstand mit dem Königreich Jerusalem aufzuheben. Kreuzfahrerfeldzüge in Richtung Rotes Meer und in den Hedschas (nordostarabisches Bergland) wurden als Versuch gewertet, die heiligen Stätten des Islam zu bedrohen. Immer wieder sahen die Muslime ihre Pilgerwege und Karawanen durch die kriegerischen Aktionen der Kreuzfahrer bedroht.
Im Sommer des Jahres 1187 kam es am See Genezareth zur großen Entscheidungsschlacht zwischen Saladins Heer und den Truppen der Kreuzfahrer. Tiberias wurde angegriffen und christliche Hilfsheere davon abgehalten, den Verteidigern von Tiberias zur Hilfe zu eilen (Schlacht von Hattin). Nach zweitätiger Schlacht waren die Kreuzfahrer besiegt. Durch ihre Niederlage geschwächt, konnte Saladin seinen Triumph ausnutzen und weitere erfolgreiche Feldzüge im Territorium des Königreiches Jerusalem durchführen. Viele Städte und Kreuzfahrerburgen ergaben sich freiwillig, nachdem Saladin zuvor freien Abzug in Aussicht gestellt hatte. Andere Städte, wie Haifa, Nazareth und Caesarea, wurden im Kampf eingenommen. Auch die stark befestigte Hafenstadt Akkon wurde eingenommen. Nachdem Schritt für Schritt Jerusalem vom Meer abgeschirmt wurde bis sie von der Versorgung abgeschnitten war, bot sich die Möglichkeit, die heilige Stadt selbst anzugreifen. Im Herbst 1187 wurde Jerusalem nach langer Belagerung und Bestürmung erobert. Viele Bewohner der Stadt wurden gefangen genommen, zahlreiche in die Sklaverei verkauft. Die Grabeskirche wurde geschont, und nicht, wie beim ägyptischen Kalifen al-Hakim, zerstört. Die meisten anderen Kirchen wurden jedoch in Moscheen umgewandelt. Viele Christen zogen aus Jerusalem ab. Statt ihrer zogen wieder mehr Juden in die Stadt. Der Sieg über Jerusalem verschaffte Saladin in der islamischen Welt großes Ansehen. Weniger erfolgreich war die Belagerung der Hafenstadt Tyros im selben Jahr. Ein Angriff auf Antiochia im folgenden Jahr endete mit einem Waffenstillstand. Doch weite Gebiete um Antiochia wurden seinem Herrschaftsbereich einverleibt.
Die Eroberungen und militärischen Erfolge Saladins, insbesondere die Eroberung Jerusalems, lösten in Europa Besorgnis aus. Es kam zum Dritten Kreuzzug. Aus dem Heiligen Römischen Reich zog Kaiser Friedrich I. Barbarossa mit einem großen Landheer von Regensburg über den Balkan und durch Kleinasien in Richtung Heiliges Land. In Südanatolien konnten die deutschen Kreuzritter 1190 einen glänzenden Sieg über die Seldschuken erringen. Doch starb Barbarossa bei der anschließenden Überquerung eines Flusses. Unter seinem Sohn, Friedrich von Schwaben, kam das Heer bis vor Akkon. Über den Seeweg kam Richard I. Löwenherz nach Akkon, und ebenso der französische König Philipp II. August. Die militärische Wucht des dritten Kreuzzuges ermöglichte nach zermürbenden Auseinandersetzungen die Eroberung Akkons und die Bezwingung des arabischen Heeres. Jerusalem konnte allerdings nicht erobert werden. Saladin musste mit den Kreuzfahrern, insbesondere mit Richard Löwenherz, der inzwischen den Oberbefehl der christlichen Heere innehatte, in Verhandlung treten. Ein Großteil der Küste Palästinas wurde den Kreuzfahrern zurückgegeben. Jerusalem blieb in der Hand der Araber. Doch Saladin erlaubt den christlichen Pilgerkarawanen den freien Zugang zur Heiligen Stadt.
Ein halbes Jahr nach den Waffenstillstandsverhandlungen mit Richard Löwenherz erlag Saladin einer schweren Krankheit. Er wurde nur 55 Jahre alt. Nach seinem Tode geriet das Ayubiden-Reich unter den Kämpfen zwischen seinen Söhnen um das Erbe der Herrschaft an den Rand des Zusammenbruchs, konnte aber noch drei Jahrzehnte bestehen.
Bei den Ägyptern war Sultan Saladin nicht sehr beliebt. Zum einen war er als kurdischstämmiger Syrer ein Ausländer, zum anderen wurde das Land durch die permanenten Kriegskosten für seine Feldzüge wirtschaftlich geschwächt. Sein Ansehen in Syrien war dagegen groß. Er galt als bescheiden und weniger prunksüchtig als die anderen zeitgenössischen orientalischen Herrscher des Nahen und Mittleren Ostens. Außerdem entsprach er dem Bild eines frommen Muslims. Als bekennender Sunnit beendete er die schiitische Herrschaft in Ägypten, aber die Schiiten wurden nicht verfolgt.
Interessanter Weise wurde Saladin im Abendland positiver dargestellt als im Orient. Er wurde zur literarischen Figur und zum Beispiel dafür, dass auch ein Muslim ein edler Ritter im christlichen Sinne sein könne. Dies lag hauptsächlich daran, dass er im Vergleich zu den meisten anderen zeitgenössischen Herrschern im richtigen Moment Milde und Gnade walten lassen konnte. Das war im Mittelalter, wo Herrschaft oft von Grausamkeit und Härte begleitet war, etwas Besonderes. Am auffälligsten war die relative Milde, die er nach seiner Eroberung Jerusalems den Unterworfenen gegenüber an den Tag legte. Die Christen erwarteten eigentlich, dass im Falle einer muslimischen Eroberung der Heiligen Stadt jene genauso grausam über ihre Bewohner herfallen würden wie es im Jahre 1099 die Christen taten, nachdem sie Jerusalem erstürmt und erobert hatten. Damit überraschte er die Christen und widersprach ihrem negativen Islambild, das ihnen die Kirche propagiert hatte. Saladins Toleranz gegenüber den Christen und Juden brachte ihm Respekt bei den Andersgläubigen ein.
Auch sein diplomatischen Beziehungen zu verschiedenen Kreuzfahrerfürsten und der gegenseitige Geschenkaustausch trugen zum positiven Bild bei. Verträge und Abkommen wurden treu eingehalten, auch wenn Saladin sie mit Christen, also Andersgläubigen abschloss. Er hielt sein Wort. Außerdem soll er sehr großzügig und freigebig gewesen sein. So sicherte er sich die Gefolgschaft seiner Leute, schaffte sich auch Ansehen bei seinen Gegnern.
Das positive Bild von Saladin, das die Geschichte zeichnet, führte schließlich dazu, dass sich viele moderne Herrscher und Regenten des Nahen Ostens gern mit ihm verglichen.Auswahl weiterführender Literatur:
- Haarmann, Ulrich und Heinz Halm (Hrsg.), Geschichte der arabischen Welt, München 2004 (5. Auflage).
- Möhring, Hannes, Saladin: Der Sultan und seine Zeit 1138-1193, München 2005.
- Runciman, Steven, Geschichte der Kreuzzüge, München 1978.