In der römischen und byzantinischen Antike war Jordanien Grenzland des Römischen und später Oströmisches Reiches. Die Römer sicherten die Grenzen ihres Imperiums an vielen Stellen mit Mauern, Wallanlagen, Wachtürmen, Heerlagern und Festungen, wie beispielsweise beim Limes zwischen dem Rhein und der Donau. Auch auf dem Gebiet des heutigen Jordanien sicherten die Römer ihre Ostgrenze, um sich vor den Überfällen der Beduinen, vor allem jedoch vor den Truppen der Parther und Sassaniden (beiden aus dem Iran) zu schützen. Teile dieses alten Limes können noch heute besichtigt werden – eine spannenden Entdeckungsreise für jeden Römer-Fan.
Von allen Grenzen des Römischen Reiches gab es zwei, die militärisch stets unter besonderer Bedrohung standen und immer wieder verteidigt und befestigt werden mussten. Dies waren die Grenze zu den Germanenvölkern in Mitteleuropa und die Grenze nach Osten zu den Parthern und Sassaniden aus dem alten Persien. Die Geschichte zeigte, dass es schließlich auch diese Grenzen waren, an denen das Römische Imperium zusammenbrach. Im Westen waren es im 5. Jahrhundert die Germanenvölker, die das Weströmische Reich zu Fall brachten. Im Osten waren es zuerst die Parther und Sassaniden, die das Römerreich herausforderten, und später wieder die Sassaniden und anschließend die Araber, die das Oströmische Reich in der Levante zum Einsturz brachten. (Konstantinopel selbst wurde erst 1453 von den Türken eingenommen. Kleinasien blieb also bis ins Mittelalter zum Teil in byzantinischer Hand.)
Im Osten schütze sich das Römische Reich mit dem sogenannten "Limes Arabicus" oder auch "Limes Orientalis". Zeitweise war dieser Limes rund 1500 Kilometer lang. Er zog sich von Anatolien über Syrien bis hinunter in das Gebiet des heutigen Jordanien. Wegen der ungeheuren Länge der Strecke hat man darauf verzichtet, eine durchgehende Grenzmauer zu bauen. Sonst wäre es womöglich eine Art zweite "Chinesische Mauer" geworden. Stattdessen besteht der "Limes Arabicus" aus einer Reihe von unterschiedlichen Grenzanlagen, Wachposten, Armeelagern und Festungen (Kastelle). Deren Funktion war durchaus vergleichbar mit jener der Chinesischen Mauer: Sowohl der römische Limes im Osten als auch die Chinesische Mauer waren im gewissen Sinne nicht nur Grenzen von Imperien, sondern verliefen zudem an der Grenze des "zivilisierten" Ackerlandes und der städtischen Regionen zu den von Nomaden bewohnten wilden Wüsten- und Steppenregionen. Während die Chinesen es hauptsächlich mit nomadischen Hunnen und Mongolen zu tun hatten, die durch die Mauer abgewehrt werden mussten, hatten es die Römer an ihren Ostgrenzen nicht nur mit arabischen Beduinen und Wüstennomaden zu tun. Sie hatten es auch mit großen Reichen zu tun, denn die Parther und später Sassaniden beherrschten große Imperien mit Millionen Einwohnern und vielen Städten. Die Grenze im nördlichen Mesopotamien war demnach keine klar definierte Linie zwischen Ackerland und Nomadenland wie es im südlichen Abschnitt der Fall war, der durch Transjordanien verlief.
Jordanien als Grenzland – Limes Arabicus
Nachdem in den Jahren 106 und 107 n. Chr. Nabataea, das Gebiet des Reiches der Nabatäer, vom Vasallenstaat Roms in eine römische Provinz namens Arabia Petraea umgewandelt wurde, begannen die Römer sofort mit dessen Sicherung und Befestigung. Zur neuen Provinz gehörte nicht nur das Gebiet des heutigen Jordanien, sondern auch der Süden Syriens, die Halbinsel Sinai und weite Gebiete des heutigen Nordwestens von Saudi-Arabien.
Zunächst wurden Truppen verlagert. Die Römer stationierten in Bosra die Legio III Cyrenaica. Dann wurde in Petra die Legio VI Ferrata stationiert. In späterer Zeit wurde zudem die Legio IV Martia an die Ostgrenze abkommandiert.
Dann wurde eine Grenzlinie gezogen, die alle möglichen strategischen Gesichtspunkte der Verteidigung berücksichtigte. Dies bezog sich auf die Landschaften, Karawanenwege und neue Straßennetze, die die Römer anlegten, wie die Strata Diocletiana vom Euphrat bis nach Jordanien und die Via Nova Traiana von Akaba bis Bosra. Entlang dieser gedachten Linie wurden die Festungen und Militärposten geplant. Dabei machten sich die Römer bereits vorhandene nabatäische Befestigungen zunutze, die in den Grenzgürtel miteinbezogen wurden.
Die nördlichen Festungen standen auf dem Gebiet des heutigen Irak und Syriens. In Jordanien gehört zum Limes Arabicus das berühmte Kastell Qasr el-Azraq, das in islamischer Zeit erweitert und bis ins 20. Jahrhundert (z.B. von Lawrence von Arabien) genutzt wurde. Wir haben dieses Kastell an anderer Stelle ausführlich besprochen.
Erwähnenswerte und besichtigungswürdige Orte des alten "Limes Arabicus" sind vor allem das Militärlager von Al-Layyun, die Festung von Qasr Bushir und die Festung von Udruh. Sie stehen exemplarisch für die zahlreichen Spuren, der der römische Limes in Jordanien hinterlassen hat.
Das Militärlager von Al-Layyun
Überreste eines größeren römischen Militärlagers wurden im Wadi al-Layyun gefunden, circa 20 Kilometer östlich von Kerak auf halber Wegstrecke nach Qatrana. Zu erkennen sind die Überreste eines rechteckig angelegten römischen Kastells mit den Ausmaßen von ungefähr 240 mal 190 Metern. Das über einen Aquädukt aus einem nahe gelegenen Wadi mit Wasser versorgte Kastell stammt aus dem 3. Jahrhundert. Die Aufgabe der einst dort stationierten 1500 Legionäre war die Überwachung der Wadis und Routen zum Toten Meer. Unklar ist, inwieweit das Lager improvisierte Vorgängerbauten hatte. Das Kastell war nicht isoliert. In der Nähe gab es noch kleine Wachtürme und Stützpunkte, die mit dem Kastell in steter Kommunikationsverbindung standen. Für den Reisenden zeigen sich nicht viel mehr als Grundrisse im Boden, die aber ein sehr deutliches Schema von römischen Lageraufbau wiedergeben.
Qasr Bushir (Qasr Bashit, Qasr Bshir)
Deutlich mehr zu sehen gibt es von der Steinanlage des Römerlagers von Qasr Bushir, welches rund 15 Kilometer nordöstlich von Al-Layyun liegt. Von der Hauptstadt Amman ist es ungefähr 80 Kilometer entfernt. Der Besuch von Qasr Bushir lohnt sich auch für archäologisch weniger Bewanderte, weil noch sehr viel Sichtbares erhalten ist und die Ruinen der steinernen Festung in Teilen noch hoch anstehen. So kann man sich leicht ein Bild von der antiken römischen Festungsarchitektur machen. Die Festung steht auf einer leichten Anhöhe inmitten einer schier endlosen Steppenlandschaft. Von hier aus konnten die Römer die nahen Wadis und Karawanenwege gut im Blick behalten und überwachen. Das in den Jahren 111 bis 114 n. Chr. errichtete und um 200 n. Chr. erweiterte Kastell ist nahezu quadratisch angelegt und misst grob 56 bis 57 Meter. Die Ecken sind mit Bastionen und Türmen gesichert, ebenso das noch erhaltene Eingangstor. Ursprünglich hatten die Türme rund drei Stockwerke. Der westliche Eckturm der Festung ist am besten erhalten und lässt die ursprünglichen Dimensionen der Festung gut erahnen. Versorgt wurde das Kastell über eine Wasserrinne, die das Wasser von einem rund 300 Meter entfernten Reservoir herleitete. Das Kastell wurde bis in die byzantinische Zeit als Stützpunkt einer Militärgarnison genutzt.
Festung von Udruh (Odruh, Adrou)
Weniger gut erhalten und nur in seinen Grundmauern zu erahnen ist die Festung von Udruh, rund 20 Kilometer östlich vom Wadi Musa und Petra entfernt. Diese Festung war eine Art Vorfestung oder Vorposten zur Sicherung der Karawanenwege, die von Osten nach Petra verliefen. Die Festung wurde in islamischer Zeit weitergenutzt. Der Grundriss ist nicht exakt rechteckig. Vier Ecktürme flankieren die Mauern. Direkt neben der Festung wurden spärliche Überreste einer byzantinischen Kirche gefunden.