Ganz im Norden Jordaniens, unweit des Sees Genezareth und in Sichtweite der Golanhöhen, an der israelischen und syrischen Grenze, breiten sich auf einer Anhöhe die Ruinen des antiken Gadara aus. Der Ort, heute auf Arabisch Umm Qeis genannt, war einst eine Metropole der römerzeitlichen Dekapolis – mit allem, was zu einer antiken Stadt gehörte, von Bädern und Prachtstraßen bis zu den großen Theatern.
Das Westtheater in Umm Qais (Jordanien)
Die Landschaft wirkt wie die natürliche Fortsetzung Galiläas. Besonders im Winter und Frühling leuchten die Hügel im frischen Grün. Im Hintergrund reihen sich die Olivenbäume der Plantagen. Im Vordergrund genießt man vom Hügel aus die Fernsicht über die weite Landschaft. Inmitten dieser Idylle wandelt der Besucher durch die mächtigen Ruinen der einstigen Stadt. Die Gebäude waren alle mit großen dunkelgrauen Steinblöcken errichtet worden. Alle waren sehr massiv gebaut.
Wer bereits mit großem Interesse die Ruinen von Petra und Jerash (Gerasa) besichtigt hat, wird auch an der antiken Stätte von Umm Qeis seine Freude haben. Die genannten Städte gehörten zur Dekapolis. Dieser griechische Ausdruck bedeutet soviel wie „Stadt der Zehn“ oder „Zehn-Stadt“. Gemeint waren insgesamt zehn Städte, die an der Südostgrenze des Römischen Reiches als Handelsstädte blühten. Alle waren in hellenistischer Zeit entweder entstanden oder nach griechischem Vorbild umgestaltet worden, so dass sie in römischer Zeit mehr klassisch-antik-mediterran als altorientalisch wirkten. Die zehn Städte waren Damaskus (das auf einer viel älteren orientalischen Stadt aufbaute), Hippos am See Genezareth, Kanatha (el-Qanawat in Südsyrien), Dion (deren Lage unbekannt ist), Raphana und Pella im Nordwesten Jordaniens, Scythopolis (die sehenswerte Ausgrabungsstätte von Beth Shean in Israel), Gerasa (Jerash), Philadelphia (das heutige Amman) und der hier beschriebene Ort Gadara (Umm Qeis).
Umm Qais - © STERN TOURS
Gadara war eine hellenistische Stadtgründung des 3. Jahrhunderts v. Chr. Zuvor hatte es an diesem Ort lediglich eine kleine unbeutende Siedlung gegeben. Unter den hellenistischen Ptolemäern, die zu jener Zeit über Ägypten und Palästina herrschten, war Gadara ein Handels- und Militärstützpunkt für die Kontrolle des Syrienhandels. Dann fiel die Stadt unter Antiochos III. im Jahre 198 v. Chr. unter die Herrschaft der Seleukiden, deren Machtbereich sich über Syrien und Mesopotamien erstreckte. Nach der Makkabäerrevolte in Palästina wurde Gadara Teil des Königreiches von Alexander Janäus, der von 103 bis 76 v. Chr. König in Jerusalem war. Nach dem Feldzug der Römer gegen die Seleukiden in Anatolien und Syrien zog der römische Feldherr Pompeius im Jahre 64 v. Chr. nach Palästina. Gadara fiel auf diesem Wege in römische Hand.
Von da an war die Stadt Teil des Römischen Reiches, später Oströmischen bzw. Byzantinischen Reiches, anfangs Teil der Provinz Syria, dann der neuen Provinz Arabia. Unter der römischen Oberherrschaft profitierte Gadara von der stabilen politischen Lage in der Region und vom florierenden Karawanenhandel. Auch die Landwirtschaft der fruchtbaren Umgebung am See Genezareth war sehr ergiebig. Die meisten antiken Bauten aus Gadara stammen aus dieser Zeit. Von der frühchristlichen Zeit zeugen die Kirchenruinen in Gadara. In der Spätantike war Gadara ein Bischofssitz. Nach der Eroberung durch die Araber im 7. Jahrhundert und mindestens zwei schweren Erdbeben wurde Stadt aufgegeben. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte war sie zumeist unbewohnt und wurde von den umliegenden Orten als Steinbruch genutzt.
Besichtigung von Umm Qeis
Die Sehenswürdigkeiten vom Gadara erstrecken sich entlang einer Ost-West-Achse, die zumindest teilweise der antiken Hauptstraße folgt. An manchen Stellen ist noch die alte Straßenpflasterung der Hauptstraße zu sehen.
Von Osten kommend stößt man zuerst auf Überreste von Mausoleen und eines ehemals großen Theaters, von dem allerdings nur sehr wenig erhalten ist (ein weiteres Theater, s.u., ist viel besser erhalten). Weiter westlich wurden Ruinen einer byzantinischen Kirche ausgegraben. Sie stammt aus dem 6. Jahrhundert.
Von der Hauptstraße zweigt an der Kirche eine kleine Seitenstraße nach Süden ab, die den Gebäudefunden nach zu urteilen einstmals eine Geschäftsstraße war. Nach etwa hundert Metern führt diese Seitenstraße zu einem weiteren Theater, dem so genannten Westtheater. Dieses Theater ist zwar kleiner als das Osttheater, aber dafür wesentlich besser erhalten. Die Sitzreichen und Ränge boten etwa 3.000 Menschen Platz. Auf der anderen Seite der seitlichen Geschäftsstraße hat man ein antikes Badehaus ausgegraben.
Folgt man der Hauptstraße weiter nach Westen, kommt man an den Ruinen antiker Mausoleen und Bäder vorbei. Ganz im Westen schließen sich die Überreste des alten Hippodroms an, der antiken Pferderennbahn.