Jordanien ist eine konstitutionelle Monarchie mit Parlament und einer demokratischen Verfassung. Der Staat ist westlich ausgerichtet, nimmt jedoch Rücksicht auf die Befindlichkeiten der überwiegend islamischen Bevölkerung. Rund die Hälfte aller 6 Millionen Jordanier sind Einwanderer aus Palästina oder aus anderen arabischen Staaten. Politisch ist die Regierung auf Ausgleich mit den Nachbarländern und mit den westlichen Staaten ausgerichtet. Seit dem arabischen Frühling und dem Bürgerkrieg in Syrien sind die Medien in Jordanien stärkerer Zensur ausgesetzt.
Um Jordanien zu verstehen, muss man anerkennen, dass es sich nicht um eine gewachsene Nation handelt. Das heutige Jordanien hat keinen historischen Vorgängerstaat oder eine nationale Identitätsgeschichte (siehe ausführlicher die Ausführungen im Kapitel „ Geschichte “). Es gibt keinen Rückgriff auf eine antike Identität, wie es bei der Gründung Israels der Fall war. Jordanien war bei seiner Gründung ein rein künstliches Gebilde, das auf den Grenzziehungen der Briten und Franzosen beruhte. Schließlich waren es auch die Briten, die für die Installierung des haschemitischen Königshauses in Jordanien gesorgt hatten.
Die rund 6 Millionen Einwohner zählende Bevölkerung besteht nur zur Hälfte aus alteingesessenen jordanischen Familien. Mindestens die Hälfte aller Menschen in Jordanien sind Einwanderer, Flüchtlinge oder haben zumindest Migrationshintergrund. Die meisten kommen aus Palästina und sind seit der Gründung des Staates Israel und den anschließenden israelisch-arabischen Kriegen nach Jordanien geflohen. Besonders in den Städten sind die Einwanderer überproportional vertreten.
Die ethnische Zusammensetzung Jordaniens ist demnach heterogen. Auf der anderen Seite sind fast alle Jordanier im weitesten Sinne Araber. Aus diesem Grunde ist für Touristen und Gäste aus dem westlichen Ausland die bunte Mischung der Bevölkerung nicht erkennbar, da man als Westler Palästinenser und alteingesessene Jordanier ohnehin kaum unterschieden kann.
Die nichtarabischen Jordanier zählen weniger als 200.000. Es handelt sich hauptsächlich um muslimische Kurden, Tscherkessen, Aserbaidschaner, Turkmenen und Tschetschenier. Die Tscherkessen und Tschetschenier wurden bereits in osmanischer Zeit in der Region angesiedelt, weil Jordanien im 19. Jahrhundert nur dünn besiedelt war und man Arbeiter zur Urbanisierung des Landes, für Infrastrukturprojekte und für den Bau der Hedschas-Bahn benötigte.
Eine Identität regionaler Art findet man hauptsächlich bei den alteingesessenen Stämmen der Beduinen und ländlichen Regionen vor. Viele davon verhalten sich treu zum Königshaus und pflegen mit diesem wechselseitige Verbindungen. Somit stellen sie das Rückgrat der jordanischen Identität und des staatlichen Zusammenhaltes dar. Tatsächlich sind es insbesondere die Menschen in den Oasen und ländlichen Regionen sowie die Beduinen, die die autochthone Bevölkerung Jordaniens am besten widerspiegeln.
Regierungssystem
Die am 11. Januar 1952 in Kraft getretene Verfassung Jordaniens basiert auf dem Prinzip der konstitutionellen Monarchie. Vorbild war unter anderem die britische Verfassung. Dies liegt daran, dass die Ausarbeitung der Verfassung Jordaniens in die Zeit des britischen Mandats fiel. Die Volkskammer („Madschlis al-Umma“) hat zwei Unterkammern. Die eine entspricht etwa dem britischen Unterhaus. Sie ist das eigentliche Parlament (Madschlis al-Nuwaab). Hier gibt es im Regelfall 110 Parlamentssitze. Viele Abgeordnete sind traditionelle Stammesscheichs. Sie sind in der Regel königstreu. Von den 110 Sitzen sind 18 für besondere Minderheiten reserviert, um ihre Repräsentanz zu sichern. Davon sind neun Sitze für die Christen, drei für Tscherkessen und sechs Sitze für Frauen eingeplant. Das Parlament wird alle vier Jahre gewählt. Es gibt zahlreiche Parteien. Neben dem eigentlichen Parlament gibt es noch den Senat („Madschlis al-Aajan“). Die Mitglieder des Senats werden direkt vom König gewählt. Der Senat ist eine Art Oberhaus.
Großer Wert wird auf die Unabhängigkeit der Justiz gelegt. Dies wurde in jüngsten Reformen nochmals bestätigt. Zwar gibt es aus Jordanien immer wieder Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und Justiz. Doch im Vergleich zu den meisten anderen arabischen Ländern, werden die Menschenrechte überwiegend eingehalten. Jordanien gilt somit noch immer als rechtssicheres Land mit (zumindest für die Region des Nahen Osten gesehen) relativ geringer Willkür. Dies wird auch von den meisten internationalen Menschenrechtsorganisationen anerkannt. Allerdings haben die zahlreichen arabischen Revolutionen seit 2011, der syrische Bürgerkrieg sowie sonstige Unruheherde und der wachsende radikale Islamismus dazu geführt, dass in Sachen Presse- und Internetfreiheit die Zügel enger gehalten werden. Internetseiten müssen registriert sein.
Kritik hat es immer wieder an der Rolle des Königs gegeben. Der König ernennt viele politische Amtsträger und ist zudem oberster Befehlshaber der Streitkräfte. Kritiker behaupten, der König habe zu viel Einfluss. Doch die königstreuen politischen Kräfte stärken dem Monarchen den Rücken, weil er das Land und die Gesellschaft zusammenhält. Außerdem ist er der beste Garant gegen die Einrichtung eines islamistischen Gottesstaates, wie ihn einige radikale Kräfte sich wünschen.
Noch ist das Königshaus in der Bevölkerung sehr beliebt. König Abdullah II. genießt ein mindestens ebenso hohes Ansehen wie sein Vater Hussein. Ein beliebtes Thema der arabischen und internationalen Klatschpresse ist die Frau des Herrschers, Königin Rania. Die 1970 in Kuwait geborene Rania stammte aus einer jordanisch-palästinensischen Familie. In Deutschland erhielt sie für ihre sozialen Engagements den deutschen Medienpreis und den Bambi. Auch in den USA ist sie sehr populär. In der jordanischen Öffentlichkeit ist das Image der Königsfamilie umstritten. Einerseits wird von den Konservativen das westliche Ambiente der Königsfamilie kritisiert. Andererseits gibt es auch viele Jordanier, die stolz auf ihre international geachtete Königsfamilie sind. Unter Muslimen geachtet wird die familiäre Geschichte und Abstammung der Haschemiten, die lange Zeit die Scherifen von Mekka stellten und seit den Zeiten des Propheten Mohammed ein bedeutender Familienclan waren.
Wirtschaftlich hat Jordanien größere Probleme als seine Nachbarn am Golf. Denn das Land verfügt über kaum Ressourcen und Bodenschätze. Große Erdöleinnahmen gibt es nicht. Erdgas ist auch kein Wirtschaftsfaktor. Es gibt geringe Mengen an Ölschiefer. Geologisch liegt das Land im toten Winkel der kohlenwasserstoffbasierten Bodenschätze. Einen nennenswerten Abbau gibt es nur an Phosphaten.
Aus diesem Grunde kann sich das kleine Königreich nicht auf die Bodenschätze verlassen. Traditionell ist die Wirtschaft Jordaniens auf Landwirtschaft, Handel und beduinische Viehwirtschaft angelegt. In den letzten Jahren sind Industrie und moderne Dienstleistungen (wie beispielsweise Tourismus und Bankdienstleistungen) hinzugekommen. Viele westliche Firmen schätzen die Hauptstadt Amman als Wirtschaftsstandort, weil Jordanien als „westlicher“ und aufgeschlossener gilt als Staaten wie Saudi-Arabien oder die kleinen Golfstaaten. Mittlerweile hat der Dienstleistungssektor einen Anteil von mehr als 70 Prozent der jordanischen Wirtschaftskraft erreicht. Die Industrie liegt bei rund 20 Prozent.
Die Städte Jordaniens: Kleine Altstädte – große Vororte
Großstädte wie Amman sind in den letzten Jahren enorm gewachsen. Die vielen Palästinenser und Zugewanderten aus den anderen arabischen Staaten haben sich in den Vororten angesiedelt. Riesige Trabantenstädte sind entstanden, jeweils mit eigenem Charakter. Um 1900 hatte Amman lediglich die Größe eines Dorfes mit knapp zweitausend Einwohnern. Um 1960 war es eine mittelgroße Stadt mit rund 200.000 Einwohnern. Heute ist Amman eine Millionenstadt.
Armut und Reichtum
Armut ist in Jordanien weit verbreitet. Doch sie ist längst nicht so sichtbar und dramatisch wie etwa in Ägypten. Offiziell gehört Jordanien zu den „upper middle income“-Staaten. Diese Zahl bemisst sich am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von rund 5000 Dollar. Doch das sagt an sich nichts aus, weil die Einkommen ungleich verteilt sind. Außerdem sind viele Menschen in der Landwirtschaft und unter den Beduinen zum Teil noch Selbstversorger. Das Durchschnittseinkommen in Dollar bemessen sagt also wenig aus. Nach der Weltbank soll rund ein Drittel der Bevölkerung in Armut leben. Doch auch diese Angabe umreißt nicht das Bild der Wirklichkeit. Man darf die Schattenwirtschaft nicht vergessen, die aus jeder Statistik fällt und mittels derer sich viele Menschen und Familienclans über Wasser halten.
Die reichen Jordanier sind meistens Firmeninhaber oder Clanchefs. Einige haben Hotels oder Restaurants in den touristisch stark frequentierten Orten. Viele reiche Jordanier investieren im Ausland und sind an westlichen Unternehmen beteiligt.
Wasser und Energie
Jordanien muss Energie von seinen Nachbarländern importieren. Die haben schließlich genug davon. Öl kommt von den Golfstaaten, Erdgas auch aus Ägypten. Ein Problem stellt auch die Wasserversorgung dar. Wichtigste Süßwasserquelle ist der Jordan. Dann gibt es noch kleine Bäche, die von den Hügellandschaften in den Jordan fließen sowie die Wadis zum Toten Meer. Am Jordan konkurriert man mit Israel, das ebenfalls an der Abschöpfung des Wassers interessiert ist. Generell stellt die Frischwasserversorgung der Großstädte ein Problem dar, das zu den größten infrastrukturellen Herausforderungen der jordanischen Zukunft gehört.
Internationale Politik
Jordanien ist umgeben von Krisenregionen. Im Westen ist der Israel-Palästinakonflikt zu einem Dauerproblem geworden. Im Norden tobt in Syrien ein grausamer Bürgerkrieg. Der östliche Nachbar Irak ist seit drei Jahrzehnten ein „failed state“. Lediglich Saudi-Arabien ist ein stabiler Nachbar. In den zahlreichen Nah- und Mittelostkonflikten hat Jordanien in den letzten vier Jahrzehnten hauptsächlich versucht, einen diplomatischen Mittelweg zu suchen und sich durch die Krisen hindurch zu lancieren. Immerhin konnte das Land auf diese Weise vor einem Zerfall oder vor einer großen Revolution wie in Ägypten oder vor einem Bürgerkrieg wie in Syrien oder im Libanon bewahrt werden.
Jordanien ist Mitglied zahlreicher internationaler Organisationen, darunter der UNO, der Arabischen Liga, und der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) bzw. dem Zusammenschluss islamischer Staaten. Enge Beziehungen gibt es zur Europäischen Union (traditionell besonders zu Großbritannien) und zu den USA. Jordanien erhält zahlreiche westliche Hilfen für die Infrastruktur und das Bildungssystem. Militärisch wird Jordanien von den USA unterstützt.
Bildungssystem
Als Land ohne Bodenschätze und mit einer heterogenen Bevölkerung aus vielen Zuwanderern ist Bildung eine Schlüsselinvestition. Während in Saudi-Arabien das Bildungssystem in strengen religiösen Schranken gehalten wird und in Ägypten noch ein Großteil der ländlichen Bevölkerung Analphabeten sind, orientiert sich Jordanien verstärkt an westlichen Bildungsstandards. Dank umfassender Maßnahmen konnte die Analphabetenrate auf zwei bis drei Prozent reduziert werden. Da die Bevölkerung Jordaniens im Durchschnitt relativ jung ist, haben die Bildungsmaßnahmen der 1990er Jahre und 2000er Jahre bereits heute Früchte getragen. Es besteht Schulpflicht. Der Schulbesuch ist kostenfrei. Fast alle Kinder gehen in die Schule. Ausnahmen gibt es noch in Slums, bei Straßenkindern und bei den Beduinen. Die Zahl der jungen Menschen, die Englisch verstehen und sprechen können, ist erheblich gestiegen.
Die jordanischen Universitäten und Hochschulen sind international vernetzt. Es gibt zahlreiche Kooperationen mit europäischen Institutionen. Im Gegensatz zu den Universitäten in Saudi-Arabien sind sie offener gegenüber Naturwissenschaften.
Zukunft Jordaniens
Jordanien ist ein relativ stabiler Staat. Trotz des großen Anteils der zugewanderten Bevölkerung sind die Verhältnisse ruhig. Dies hat sich insbesondere während des arabischen Frühlings gezeigt. Während in Ländern wie Tunesien, Libyen, Ägypten und Syrien die Regime ins Wanken gerieten, hielten sich die Proteste und Demonstrationen in Jordanien in Grenzen. Größter Kritikpunkt der Demonstranten und Oppositionellen ist die Macht des Königs. Seine Rolle ist entscheidend für die Zukunft des Landes. Er muss es schaffen, die Balance aus volksnaher Landesvaterfigur einerseits und Bewahrer der innerstaatlichen Stabilität andererseits aufrechtzuhalten.
Das Land ist umgeben von Krisenregionen. Daher wird die Außenpolitik immer auf Ausgleich bedacht sein, um nicht in die großen Konflikte hineingezogen zu werden. Innenpolitisch ist es stets wichtig, für Integration aller Landesbewohner zu sorgen. Genau diese Faktoren sind entscheidend für die jordanische Innenpolitik. Denn neue Zuwanderer können erheblich zu Stimmungsschwankungen in der Bevölkerung beitragen.
Wirtschaftlich wird die Wasserversorgung die größte Herausforderung bleiben. Süßwasser muss notfalls mittels Entsalzungsanlagen am Roten Meer aufbereitet werden. Ansonsten ist man auf die Kooperation Israels angewiesen, um die Wasserressourcen des Jordans gerecht aufzuteilen.