Jordanien ist das Land der Wüstenschlösser. Es handelt sich um Festungen und Residenzen aus dem Mittelalter. Eine solche ist die Festung Qasr al-Azraq, die rund 100 Kilometer östlich von Amman in der Wüste liegt. Die als dunklen Basaltsteinen errichtete Anlage stammt ursprünglich aus nabatäischer Zeit. Dann hatten die Römer sie zu einem Kastell umgebaut. Schließlich wurde daraus ein omayyadisches Wüstenschloss, das später von den Ayyubiden und Mamluken wiederverwendet wurde. Die Festung liegt in einer Oase mit Seen und Teichen und einem Naturschutzgebiet (namens "Shaumari Wildlife Reserve") in der Nähe. Außerdem gibt es in der Oase einen modernen Ort mit mehr als 15.000 Einwohnern.
Wüstenschloss Qasr el-Azraq
Das Wüstenschloss Qasr el-Azraq ist eines der bekanntesten jordanischen Wüstenschlösser.
Bereits im Altertum wurden Festungen und Residenzen nach strategischen Gesichtspunkten angelegt. In Jordanien waren dies entweder Höhenfestungen (wie Kerak), um von dort aus als Schutzburg das Tal zu überwachen, oder Festungen an Karawanenwegen. Eine solche Festung war jene von Qasr el-Azraq (andere Umschreibung des arabischen Namens: Kasr al-Asrak, kurz: Kasr Asrak). Sie wurde an einer Oase angelegt. Denn schon in der Antike führten die Karawanenwege von Wasserquelle zu Wasserquelle, von Oase zu Oase, um die Tiere zu tränken und die Mannschaften zu versorgen.
Am Kreuzpunkt der Karawanenrouten – in einer Oase inmitten der Wüste
So wurde auch Qasr el-Azraq an einer natürlichen Wasserstelle und Oase angelegt. Diese Wasserstelle gab es schon im Altertum. Und sie ist die einzige weit und breit in der Gegend. Die Süßwasserquelle mit ihren Teichen und ihrer Pflanzenwelt wurde daher bereits in der Antike von den Nabatäern als Karawanenstützpunkt besetzt. Sie begannen damals mit dem Heranschaffen der dunklen Basaltblöcke, um die Festung zu bauen. Die Oase konnte sich wohl schon damals selbst versorgen. Denn die Flora rund um die Teiche war üppig. Der fruchtbare Boden in der Oase hatte früh Oasenfeldbau ermöglicht. Der Oasenfeldbau war die wirtschaftliche Grundlage der Besiedlung.
Die Bedeutung der Oasenstützpunkte und Siedlungen für die Karawanenrouten und Händler war schon seit jeher ein Anziehungspunkt für räuberische Beduinen, die – wie Piraten die Schiffe auf See – Oasen und Karawanen in regelmäßigen Abständen überfielen. Auch feindliche Heere haben bei ihren Wüstendurchquerungen ihre Wege immer entlang der Oasenrouten zurückgelegt. Daher hatten bereits die Nabatäer damit begonnen, die Oase zu befestigen. Die Basaltblöcke waren von einem nahen Lavarücken in der Wüste herangeschafft worden, da es keinen anderen Steinbruch in der Nähe gab. Die Lavasteine wurden lediglich grob behauen. Sowohl die Nabatäer als auch ihre Nachfolger hatten die Festung für ihren Nutzen der Wehrhaftigkeit errichtet. Ästhetische Aspekte wurden außer acht gelassen. Steinblöcke aus Sandstein oder Kalkstein zu beschaffen, wäre wegen der Entfernung logistisch zu aufwendig gewesen.
Festung der Nabatäer, Römer, Byzantiner, Araber und Osmanen
Als die Römer die Kontrolle über die Region übernahmen, erkannten sie sogleich die strategisch wichtige Lage der Oase an der Handelsroute durch die Wüste. Die Römer übernahmen die Festung, stationierten dort eine Besatzungstruppe und bauten die nabatäischen Anlagen zu einen klassischen Römer-Kastell um. Von hier aus kontrollierten die Legionäre die Ostgrenzen des Reiches, um sich gegen Beduinenstämme zu schützen und rechtzeitig das Herannahen persischer Heere zu erspähen. Auch in spätrömischer und byzantinischer Zeit wurde die Festung als Garnisonsstützpunkt genutzt, denn die Grenzlage des Ortes hatte sich nicht geändert, erst recht nicht die Brisanz der persischen Bedrohung.
Die Römer hatten der Festungsanlage den quadratischen Kastellgrundriss gegeben, der noch heute die Anlage prägt. Die Form erinnert an ein Fort. Um das herangebrachte Steinmaterial optimal zu nutzen, wurden die Gebäude innerhalb des Forts direkt an die Befestigungsmauer gebaut. So wurde jeweils eine Steinwand an Material gespart. In der Mitte war ein freier Platz geblieben. In römischer Zeit waren hier die Zelte der Legionäre aufgerichtet, während die Offiziere in den Steinbauten untergebracht waren. Die Funktionalität und Wehrhaftigkeit der Anlage war so überzeugend, dass sie von den nachfolgenden Heeren der späteren Epochen weitergenutzt und kaum verändert wurde. Sowohl die Byzantiner der Spätantike als auch im Mittelalter die arabischen Truppen der Omayyaden, Ayyubiden und Mamluken nutzen die Festung als Garnisonsstützpunkt. Sogar in osmanischer Zeit waren dort Truppen stationiert. Erst im 19. Jahrhundert wurde sie verlassen.
Fruchtbares Paradies in der Wüste – Lawrence von Arabien in Qasr el-Azraq
Ein literarisches Vermächtnis der Oase und ihrer Festung hinterließ der britische Archäologe und Offizier Thomas Edward Lawrence. Während des Ersten Weltkrieges und des arabischen Aufstands gegen die osmanisch-türkische Besatzungsmacht, überwinterte im Jahre 1917 Lawrence gemeinsam mit den arabischen Beduinen-Rebellen in Qasr el-Azraq. In den Bergen Jordaniens und Syriens war es im Winter zu kalt und nass. Doch die Oase war inmitten der Wüste ein trockener, milder und sonniger Ort mit ausreichend Wasser zur Versorgung der Rebellentruppen. Sie war der ideale Rückzugsort für die Freiheitskämpfer, die nach alter Beduinenmanier aus der Wüste heraus einen guerillaartigen Krieg gegen die Türken führten.
Die eigentliche Ortschaft war damals wesentlich kleiner als heute. Doch die Oase mit ihren Wasservorkommen und ihrer Pflanzen- und Tierwelt war umso beeindruckender, denn große Teile waren noch nicht überbaut, das Wasservorkommen weniger reguliert. Bis heute ist der Seen- und Teichlandschaft so viel Wasser entnommen worden, das nur noch ein kümmerlicher Rest übriggeblieben ist. Hinzu kommt die Tatsache, dass unweit eine jordanische Luftwaffenbasis (wegen der Nähe zum Irak) errichtet worden ist, die dem Gebiet ebenfalls viel Wasser entzieht.
Will man sich einen Eindruck von der einstigen Pracht der Oasenlandschaft verschaffen, wie sie sich noch vor rund hundert Jahren ihren Besuchern präsentiert hat, kann man einen Blick in die schriftlich aufgezeichneten Erinnerungen des Lawrence von Arabien (T.E. Lawrence: "Die Sieben Säulen der Weisheit") werfen. Dort schildert er seine erste Begegnung mit der Oase:
"Und da tauchte jäh vor uns in schimmernden Blau die Burg auf ihrem Felsgipfel auf, umrauscht von Palmen, mit frischgrünen Matten und weiß schäumenden Quellen zu ihren Füßen; und wir standen festgebannt. Von Asrak wie von der Rumm (Anm.: gemeint ist Wadi Rum ) sagte man "Numen inest". In beiden Landschaften herrschte ein Zauberspuk; aber während die Rumm weit und hallend und gottähnlich war, erzählte Asraks unermessliche Ruhe von wandernden Poeten, von Helden, verlorenen Königreichen, von all den Verbrechen, der Ritterlichkeit und dem toten Glanz von Hira und Ghassam. Jeder Stein, jeder Grashalm war hier ein Stückchen Erinnerung an das leuchtende, seidenweiche Eden, das seit langem dahin war." (S. 507-8, zitiert aus der deutschen Ausgabe, die 1978 und 1991 im Paul List Verlag erschienen ist).
An anderer Stelle heißt es über die Wirkung der Oase auf die Besucher:
"Asrak war zudem berühmt; es war die Königin dieser Oasen und mit seinem Grün und seinen rauschenden Quellen schöner als Amruh. Ich hatte jedermann ein Bad versprochen; die Engländer, die sich seit Akaba nicht mehr gewaschen hatten, sehnten sich sehr danach. Aber auch Amruh übte ein Zauber auf sie aus." (S. 720, s.o.).
Oasenlandschaft und Naturschauspiel im "Shaumari Wildlife Reserve"
Wer sich selbst einen kleinen Eindruck verschaffen will, wie damals die Landschaft der Oase ausgesehen hat, für den lohnt sich ein Besuch im "Shaumari Wildlife Reserve". Auch wenn es nur der kümmerliche Rest der einstige Oasenlandschaft ist, die noch nicht entwässert oder überbaut wurde: Immerhin sind noch rund 22 Quadratkilometer dieser Landschaft im Reservat erhalten. Der Park war 1975 von der "Royal Society for the Conservation of Nature" gegründet worden. Mit großer Mühe wird versucht, die Feuchtgebiete zu konservieren und ihren Wasserstand aufrechtzuerhalten. Denn das Gebiet ist ein einzigartiges Rückzugsgebiet für viele Zugvögel, die im Herbst und Frühjahr auf ihren saisonalen Wanderouten von Europa nach Afrika und zurück sind. Vögel die an der Levante zu weit nach Osten abdriften, finden in der Oase ihren idealen Lagerplatz, bevor sie ihre Reise über den Sinai fortsetzen.
Präparierte Wege und Holzstege führen die Besucher durch das Feuchtbiotop. Manchmal sieht man auch ein paar Dorkasgazellen und Oryxantilopen an den Ufern der Teiche oder im umliegenden Grasland. Sogar Strauße (Somalistrauß) und Wildesel kann man antreffen. Die Ufer der Teiche sind an vielen Stellen mit hohem Schilf bewachsen. Teilweise macht die Vegetation einen dschungelhaften Eindruck. Man kann sich gut vorstellen, welchen Reiz diese Landschaft auf Menschen ausgeübt hat, die gerade aus der Wüste kamen.