Die Zweite Zwischenzeit (1650 – 1550 v. Chr.) ist wie die Erste Zwischenzeit durch Dezentralisation, Polyarchie und Partikularismus gekennzeichnet. Der Zerfall des Zentralstaates begann schon unter der 13. Dynastie, weshalb manche Ägyptologen diese schon zur Zweiten Zwischenzeit hinzuzählen. Besonderes Merkmal dieser Periode ist der Einfluss semitisch-kanaanäischer Bevölkerungsgruppen im Norden Ägyptens.
Bereits während des Mittleren Reiches blühte der Handel mit den westsemitischen Stämmen der Levante (heutige Gebiete Israels, Palästinas, des Libanon und Syriens). Schon die Wandbilder in einem Grab von Beni Hassan (12. Dynastie) zeigen eine Karawane semitischer Beduinen, die Handelsprodukte nach Ägypten bringt. Ähnliche Motive von Nomaden fand man auch auf Felsbildern im Sinai. Die Ägypter nannten die Scheichs und Herrscher der semitischen Stämme "heqa chaset" (Singular) bzw. "heqaw chasut" (Plural), was soviel wie "Herren der Fremdländer" bedeutet. Von diesem Begriff stammt das griechische Wort Hyksos ab. (Anmerkung: Eine andere Deutung des Begriffs wäre "Hirten des Wüstenlandes", da die Wörter Hirte und Herrscher gleich geschrieben werden, nämlich mit dem Hirtenstab. In der Lehre des Merikare wird der König auch als "guter Hirte" beschrieben und die Menschen als das "Vieh Gottes". Daher gilt der Hirtenstab als Herrschafts-Insigne sowohl der Pharaonen als auch der christlichen Bischöfe; ebenso die religiöse Begriffserweiterung des lateinischen Wortes Pastor, welches ebenfalls Hirte heißt. Die erweiterte Verwendung des Wortes Hyksos als Ethnonym bzw. Volksname ist eher modern und populärwissenschaftlich.)
Schon während der 13. Dynastie konnten sich semitische Händler im Delta ansiedeln und Handelsniederlassungen gründen. Von hier aus unterhielten sie Handelsbeziehungen mit den Küstenstädten der Levante, z.B. Sidon, Byblos und Ugarit sowie mit den Minoern der ägäischen Inseln. Eine wichtige Handels- und Hafenstadt im Delta war Auaris, am östlichen Nilarm gelegen.
Mit dem Zerfall der staatlichen Strukturen und dem Zusammenbruch der Institution des gesamtägyptischen Pharaonentums konnten die semitischen Siedler und Händler Autonomie gewinnen und ihren eigenen Staat mit Auaris als Hauptstadt bilden (15. Dynastie). Dieses semitische Staatsgebilde auf ägyptischem Boden war von den autochthonen (d.h. uransässigen) Ägyptern als Fremdherrschaft empfunden worden, zumal einige Herrscher der 15. Dynastie semitische Namen trugen. Dennoch gab es gleichzeitig in Mittelägypten ägyptische Vasallen, deren Könige unter der 16. Dynastie subsumiert werden. Von den lokal im östlichen Nildelta regierenden Herrschern der 14. Dynastie und ihr Verhältnis zu den Hyksos weiß man recht wenig.
Nur in Oberägypten, mit Theben als Zentrum, formierte sich ein rein ägyptischer Gegenspieler. Hier regierten die Könige der 17. Dynastie. Und von hier aus gelang schließlich die Vertreibung der Hyksos, die insbesondere unter dem König Seqenenre erfolgreich gestartet und unter den Königen Kamose und Ahmose fortgesetzt wurde. Nach einer Erzählung des Papyrus Salier I war der Konflikt zwischen Theben und Auaris auf eine Provokation seitens des Hyksos-Herrschers zurückzuführen. Der Hyksoskönig Apophis fühlte sich angeblich durch das Geschrei der "Nilpferde" gestört (vermutlich eine Anspielung auf Grenzstreitigkeiten) und bezeichnete den König von Oberägypten lediglich als Fürsten. So sei es zum Krieg gekommen. Die Mumie König Seqenenres weist Spuren von Gewaltanwendungen auf. Vielleicht starb dieser König tatsächlich im Kampf gegen die Hyksos oder deren Vasallen. Nachdem sein Nachfolger Kamose mit seinen Truppen bis an die Stadttore von Auaris vorrücken konnte, wurden die Fremdherrscher schließlich unter Ahmose endgültig aus dem Delta vertrieben. Mit Ahmose beginnt auch die Zählung der 18. Dynastie und somit eine neue Ära: das Neue Reich.
In der Zweiten Zwischenzeit war von den Hyksos der Gebrauch des mit Pferden bespannten Streitwagens aus Vorderasien nach Ägypten eingeführt worden. Ob diese waffentechnische Neuerung für die zeitweise militärische Dominanz der Hyksos in Ägypten verantwortlich war ist eher spekulativ. Gesichert ist hingegen die Tatsache, dass die ägyptischen Truppen der 17. und 18. Dynastie starke Streitwagenkontingente hatten, welche insbesondere bei der Expansion nach Vorderasien eine Rolle spielten.
Auswahl weiterführender Literatur:
- Beckerath, Jürgen von, Chronologie des pharaonischen Ägypten: Die Zeitbestimmung der ägyptischen Geschichte, Münchener Ägyptologische Studien (MÄS), Band 46, Mainz 1997.
- Beckerath, Jürgen von, Untersuchungen zur politischen Geschichte der Zweiten Zwischenzeit in Ägypten, Glückstadt 1964.
- Bietak, Manfred, Avaris. The Capital of the Hyksos: Recent Excavations, London 1995,
- Gardiner, Alan, Egypt of the Pharaohs, Oxford 1964.
- Otto, Eberhardt, Der Weg des Pharaonenreiches, Stuttgart 1966.
- Schneider, Thomas, Lexikon der Pharaonen: Die altägyptischen Könige von der Frühzeit bis zur Römerherrschaft, Zürich 1994.